: Die Wiederentdeckung der Wundertüte
Reform Bürgerschaft will mit schnelleren Debatten und besserer Rhetorik wieder attraktiv werden und dem schwindenden Interesse bei Bürgern und Medien begegnen
Der Kernsatz von Ole von Beust, ob als CDU-Fraktionschef oder als Erster Bürgermeister, lautete stets: „Das ist die Wahrheit, meine Damen und Herren.“ Damit pflegte er das Gewicht seiner Worte unabhängig von deren Wahrheitsgehalt zu betonen – so lange, bis selbst die eigenen Gefolgsleute es kaum noch glauben mochten. Damit soll jetzt Schluss sein: Die Bürgerschaft will sich am morgigen Donnerstag eine Frischzellenkur für die Diskussionskultur verordnen in der Hoffnung, dass dann wieder jemand zuhört.
Denn es sei „ein Rückgang der Wahrnehmung politischer Debatten zu verzeichnen“, haben SPD, CDU, Grüne, Linke und FDP übereinstimmend erkannt. Schuld sei „die Ritualisierung der Parlamentsarbeit und der Debattenkultur“. Und deshalb sollen zum kommenden Jahr eine Menge Neuerungen eingeführt werden, um das Parlament für Bürger und Medien wieder interessant zu machen.
Statt erst um 15 Uhr soll die Bürgerschaft künftig bereits um 13.30 Uhr zusammenkommen, und das verlässlich an jedem zweiten Mittwoch mit Ausnahme der Schulferien. Das ergibt drei bis vier Sitzungstermine weniger, dafür sollen diese intensiver genutzt werden. Begrenzungen der Redezeiten auf drei bis fünf Minuten sollen außerdem für mehr Dynamik sorgen und für mehr debattierte Themen.
Zudem soll der Senat ins Kreuzverhör genommen werden können: In einer Senatsbefragung müssen Regierungsmitglieder die Neugier der Parlamentarier aller Fraktionen stillen. Lediglich die erste Frage und somit das grundsätzliche Thema ist vorab bekannt.
Ein solche „Fragestunde“ war 2008 wegen erwiesener Langeweile abgeschafft worden, hatte allerdings wegen schlecht vorbereiteter Senatoren auch für peinliche Highlights gesorgt. Nun soll zumindest der Unterhaltungswert dieses bei Rathausjournalisten als „Wundertüte“ geltenden Instruments erneut getestet werden.
Die Änderungen sind in einem eigens dafür eingerichteten Ausschuss ein Jahr lang fraktionsübergreifend erarbeitet worden. Sven-Michael Veit
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