Patzer, Kratzer, Blechschäden

VERKEHRSRECHT Wer in einen Unfall verwickelt wird, sollte die Ruhe bewahren und einige Kleinigkeiten beachten. Radfahrer sind besonders verletzlich. Allerdings missachten viele von ihnen oftmals auch die Verkehrsregeln

Radfahrer sind auf Radwegen oft schlecht zu sehen, was an Kreuzungen gefährlich ist

VON OLE SCHULZ

Dass man als Fahrradfahrer einem parkenden Auto im Vorbeifahren aus Versehen einen Kratzer zufügt, wird fast jedem schon passiert sein. Wie man sich am besten verhalten sollte, wenn der geschädigte Fahrzeughalter partout nicht auftaucht, werden dagegen weniger wissen. Ob es beispielsweise ausreicht, einen Zettel mit Personalien und Unfalldaten an die Scheibe zu klemmen und sich dann aus dem Staube zu machen?

Die Berliner Rechtsanwältin Nadine Gebauer, Expertin für Verkehrsrecht, empfiehlt, zunächst geduldig am Ort des Geschehens auszuharren. Wie lange man nun warten solle, dafür gibt es laut Gebauer „keine Leitformel“. Gerade am Tage, wo Anwohner das Geschehen verfolgt haben könnten, solle man bei Nichterscheinen des Geschädigten lieber die Polizei rufen, als sich irgendwann zu verdrücken.

Wichtiger aber ist ein rechtlich einwandfreies Verhalten, wenn es zu einem größeren Schaden kommt, zum Beispiel bei einem Auffahrunfall. Dann muss die Polizei in jedem Fall gerufen werden. Gebauer rät zudem, „sich alle Eckdaten des Unfalls detailliert zu notieren“. Dazu gehören neben den Personalien der Unfallbeteiligten auch die Pkw-Kennzeichen und die Versicherungsnummern, des Weiteren die Benennung von Zeugen, das Anlegen einer Unfallskizze und die Notierung wichtiger Begleitumstände, gerade der Wetterlage: Hatte es geregnet oder blendete die Sonne?

Darüber hinaus empfiehlt Gebauer, in seinem Wagen stets eine Einwegkamera liegen zu haben. Mit der könne man bei Bedarf schnell einige Fotos vom Unfallort schießen. Das sei gerade dann angebracht, wenn die beteiligten Autos von der Straße geräumt werden müssen, wodurch eine Rekonstruktion des Geschehens schwieriger werde. Wer angesichts des Unfalls so sehr neben sich steht, dass er nur schafft, das Allernötigste aufzuschreiben, hat immerhin noch die Möglichkeit, Vergessenes im ausführlichen Anhörungsbogen der Versicherung nachzutragen.

Mithilfe dieser Anhörungsbögen klären die Versicherungen in der Regel die Schuldfrage. Von Polizisten am Unfallort, die gelegentlich vorschnell ein Urteil zur Unfallschuld abgeben, solle man sich daher nicht einschüchtern lassen, sagt Gebauer.

Dass es auf den Straßen Berlins täglich hundertfach scheppert, belegt die Verkehrsstatistik: Immerhin rund 124.000 Verkehrsunfälle wurden im vergangenen Jahr gemeldet. In den weitaus meisten Fällen sind nur Blechschäden zu beklagen, zum Beispiel ein demolierter Außenspiegel oder eine eingedrückte Stoßstange. Für Radfahrer können scheinbar harmlose Kollisionen aber lebensgefährliche Folgen haben. Doch wenigstens geht seit Jahren nicht nur die Zahl der im Berliner Straßenverkehr tödlich Verunglückten zurück, sondern auch die der getöteten Radfahrer.

Trotzdem bleiben die Radfahrer neben den Fußgängern die verletzlichsten Verkehrsteilnehmer. Seit Jahren kämpft der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club ADFC daher gegen das Vorurteil des sicheren Fahrradweges und macht sich für den Radfahrstreifen auf der Fahrbahn stark. „Radfahrer sind auf Radwegen oftmals schlecht zu sehen, was vor allem an Kreuzungen und Einfahrten gefährlich ist“, so der ADFC-Bundesvorsitzende Karsten Hübener.

Mit der am 1. September in Kraft getretenen Novelle der Straßenverkehrsordnung (StVO) wurde der Radfahrstreifen auf der Fahrbahn nun endlich mit dem Radweg gleichgestellt. Die bestehende Radwegebenutzungspflicht wurde durch die Novelle zwar nicht generell abgeschafft, soll aber auf ein erforderliches Maß beschränkt werden. Dadurch wird die Anlage von Radfahrstreifen leichter. „Die Verkehrsplanung“, sagt Hübener, „wird nun mehr den Bedürfnissen der Radfahrer angepasst.“

Künftig müssen sich Radfahrer auch nicht mehr an den Fußgängerampeln halten, sondern an denen für die Straße – das bedeutet in diesem Punkt eine Gleichstellung mit den Autofahrern. „Der Gesetzgeber erkennt damit an, dass Radfahrer ein Fahrzeug lenken und keine Fußgänger sind“, freut sich Hübener.

Viele Radfahrer haben andererseits gerade auf den Straßen der Großstädte häufig die Angewohnheit, rechtliche Bestimmungen zu überschreiten. Warum sollte man auch spät nachts an einer roten Ampel halten, wenn weit und breit weder Fußgänger noch Autos zu sehen sind? Wird man dabei allerdings von der Polizei erwischt, kann das mitunter schwerwiegende Konsequenzen haben.

Mit der Anhebung der Bußgeldsätze in diesem Jahr gibt es eine größere Anzahl an Verkehrsvergehen, die auch Fahrradfahrer mindestens 40 Euro kosten. Dies ist die Grenze, ab der es einen Punkteeintrag in Flensburg gibt. Hat man nun zum Beispiel einen Führerschein auf Probe und wird beim Überqueren einer roten Ampel ertappt, kann man ihn verlieren – was tatsächlich manchmal auch in Berlin vorkommt.

Rechtsanwältin Gebauer rät allen Radfahrern jedenfalls, „die Verkehrsregeln zu beachten und nur mit fahrtüchtigen und verkehrssicheren Rädern zu fahren“. Auch sollte man sich über mögliche Folgen im Klaren sein, wenn man als alkoholisierter Radfahrer einen Unfall verschulde. Nicht immer komme dann eine Haftpflichtversicherung für die Unfallkosten auf. Man müsse zum Beispiel erst nachweisen, dass man sich „nicht bewusst in einen Rauschzustand versetzt“ habe. Und dieser Nachweis ist nicht so leicht zu erbringen.