piwik no script img

Aufsteigen ist ja so schön

ZWEITE LIGA Braunschweig macht es anders: Der Klub steht zum Trainer und damit wohl vor dem Wiedereintritt ins Oberhaus

Auf und davon: der Braunschweiger Nik Omladic enteilt der Konkurrenz Foto: imago

aus BraunschweigHendrik Buchheister

Nach 67 Minuten wird das Braunschweiger Stadion bei jedem Spiel der heimischen Eintracht zum Schauplatz einer fast schon heiligen Prozession. Die Zuschauer erheben ihre Schals und stimmen dazu ein Lied an, das an den größten Erfolg des Klubs erinnert, an den Gewinn der deutschen Meisterschaft im Jahr 1967. Der Verein zieht bis heute einen großen Teil seiner Identität aus diesem Triumph, für viele Anhänger ist der Titel ein Ausweis von Tradition und Geschichte und der Beweis dafür, dass die Braunschweiger der einzig wahre Klub im Osten Niedersachsens sind, nicht etwa der Nachbar aus Wolfsburg.

Im Moment feiert die blaugelbe Gemeinde allerdings nicht nur die Vergangenheit, auch die Gegenwart ist schön. Eintracht Braunschweig führt die Zweitliga-Tabelle nach neun Spieltagen souverän an und steuert in Richtung Aufstieg. Mit einem 1:0-Erfolg gegen den 1. FC Kaiserslautern durch den Freistoßtreffer des slowenischen Nationalspielers Nik Omladic bauten die Braunschweiger ihren Vorsprung aus, vier Punkte beträgt der Abstand auf Verfolger Heidenheim. So herrscht beim örtlichen Publikum eine Euphorie, als sei der nächste Titel nahe. Die Spieler aus Kaiserslautern hatten nach dem Ende der Partie schon ihre Analysen getätigt und waren in der Kabine verschwunden, da feierten die Braunschweiger noch immer mit ihren Fans, durch den Spieltunnel donnerten die Gesänge der Zuschauer nach drinnen.

Die Profis versuchen, sachlich mit ihrem Erfolg umzugehen. Es ist viel davon zu hören, dass das Tabellenbild nur eine Momentaufnahme sei, nur zwei Niederlagen und schon sähe die Sache wieder anders aus. „Wir wollen gar nicht erst den Schlendrian reinbringen, sondern einfach unsere Spiele gewinnen“, sagte Braunschweigs Kapitän Marcel Correia. Es gibt aktuell keine Anhaltspunkte dafür, warum das nicht auch weiter gelingen sollte. Der Sieg gegen Kaiserslautern war unspektakulär, aber zu keiner Sekunde gefährdet. „Wir waren geduldig und haben in der Defensivarbeit fast keine Fehler gemacht“, sagte Trainer Torsten Lieberknecht.

Er ist das Gesicht des Klubs. Seit 2008 steht er in Braunschweig an der Seitenlinie, führte die Mannschaft 2013 in die Bundesliga – und blieb im Amt, obwohl nach nur einer Saison die Rückkehr in die Zweitklassigkeit stand. Die Braunschweiger widersetzen sich gerne den sogenannten Mechanismen der Branche. Lieberknechts Status als Stadtheiliger ist unabhängig von sportlichen Wellenbewegungen. Gerade hat er seinen Vertrag bis 2020 verlängert und dafür wohl finanziell bessere Angebote ausgeschlagen. „Ich bin sehr zufrieden mit der Mannschaft, dem Verein, allen Beteiligten. Das ist mir mehr wert als monetäre Dinge“, berichtete er im NDR. Was ihn antreibt, sind die Erinnerungen an den ersten Bundesliga-Aufstieg. Diese Erinnerungen will er am Ende dieser Saison auffrischen. „Gefühle, die Aufstiege freisetzen – die möchte man noch einmal erleben.“

„Wir wollen nicht erst den Schlendrian reinbringen, sondern die Spiele gewinnen“

Die Braunschweiger stehen auch deshalb so gut da, weil die Integration der Zugänge funktioniert. Spieler wie der Norweger Valsvik, der Schwede Nyman, der Deutschkubaner Hernández oder Quirin Moll haben wichtige Rollen eingenommen. Bester Schütze mit sechs Saisontoren ist Domi Kumbela, der schon zum dritten Mal in seiner Karriere in Braunschweig spielt.

Die kommenden Gegner sind Greuther Fürth und Dynamo Dresden, danach steht schon das Derby gegen Hannover 96 im Kalender. Es gibt im deutschen Fußball kaum eine schärfere Fanrivalität. Der Braunschweiger Anhang stimmte sich bei der Partie gegen Kaiserslautern schon auf das Treffen mit dem verhassten Nachbarn ein. Nur ein paar Minuten, nachdem mit erhobenen Schals an die Meisterschaft 1967 erinnert worden war, stimmte der harte Kern des Publikums einen Gesang gegen die Hannoveraner an, der so derbe war, dass der Stadionsprecher einschritt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen