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Archiv-Artikel

Bildung ist Zufall

Wie eine Lotterie ihren guten Namen verspielt

Wie man die Chance auf Bildung verhökern kann, zeigt ein Beispiel aus Recklinghausen: Dort wurde im Mai eine Bildungslotterie gegründet. Die Initiative „Educent“ kündigte an, damit Geld sammeln zu wollen, um sozial schwache SchülerInnen mit Notebooks auszustatten. 200.000 Euro hatte „Educent“ der Stadt in Aussicht gestellt. Jetzt ist das Geld verschwunden. Gestohlen aus dem Büro von Johanna Wiechens, Initiatorin der Bildungslotterie.

Unter dem Motto „Ein Euro für die Bildung“ hatte sie in den vergangenen Monaten 500.000 Lose verkauft. Der Erlös der Lotterie sollte an die Stadt gehen und in den Sozialfond des Notebook-Projektes fließen. Mit diesem bundesweit einmaligen Projekt sollen ganze Klassenverbände an weiterführenden Schulen mit mobilen Computern ausgestattet werden. Dabei leasen die Eltern die teuren Geräte. Drei Jahre lang zahlen sie 30 Euro im Monat bis der Computer schließlich ihnen gehört. Für sozial schwache Familien, die die monatliche Summe nicht aufbringen können, gibt es den Sozialfonds.

Das Notebook-Projekt und die Bildungslotterie aber sind in Recklinghausen sehr umstritten. „Eine Lotterie kann nicht die finanziellen Probleme der Bildung lösen“, kritisiert Erich Burmeister, Vorsitzender des Vereins zur politischen Bildung „Basta!“. Die Lotterie ist ihm „irgendwie suspekt“. Der Einbruch in der vergangenen Woche verstärke seinen Eindruck.

270.000 Euro hatte Johanna Wiechens nach eigenen Angaben im Tresor in ihrem Büro gelagert. Die Frage, warum sie das Geld im Büro gebunkert hatte, anstatt es zur Bank zur bringen, beantwortete Wiechens so: „Ich bin in den vergangen Jahren von Banken häufig aufs Kreuz gelegt worden. Ich dachte das Geld liegt im Tresor sicher.“ Jetzt ist nicht nur das Geld weg, sondern auch wichtige Unterlagen. Die hätte Wiechens bei der Bezirksregierung Münster, die die Lotterie genehmigt hatte, bis zum ersten Oktober zur Prüfung vorlegen müssen. Das hatte sie bis einen Tag vor Fristende nicht erledigt. Der Nachweis über die Verwendung der Lotterie-Gelder war eine der Auflagen, unter denen die Lotterie genehmigt worden war. Welche rechtlichen Konsequenzen nun auf Educent zukommen, konnte die Bezirksregierung noch nicht sagen.

Burmeister wundert das Verschwinden der Unterlagen nicht. Offensichtlich könne Frau Wiechens nicht abrechnen. „Ich vermute als Grund aber Blödheit, nicht kriminelle Energie“. Er glaubt ohnehin nicht, dass Educent tatsächlich alle 500.000 Lose verkauft hat. Die ganze Aktion sei insgesamt nicht nachvollziehbar gewesen.

Die Stadt Recklinghausen dagegen hat an der Lotterie nichts auszusetzen. Schließlich ist sie Nutznießerin der Aktion. Die Zusammenarbeit mit Johanna Wiechens verliefe gut, so Rainer Höseler, Abteilungsleiter Schule des Fachbereiches Schule und Sport der Stadt. Wiechens hat bei der Stadt einen Beratervertrag und organisiert Spenden und Sponsoren für das Notebook-Projekt.

Das Projekt braucht sich aber trotz Diebstahls nicht um seine Zukunft sorgen: Die Gelder aus der Bildungslotterie waren noch nicht verplant. JOSEFINE FEHR