: Sozialwohnungen bald billiger
Landesregierung will Ausgleichszahlungen höherer Einkommen für Sozialwohnungen abschaffen. Mieterverbände reagieren gespalten. Viele Kommunen verzichten bereits auf Fehlbelegungsabgabe
VON HOLGER PAULER
Der soziale Wohnungsbau steht vor einer ungewissen Zukunft. Selbst die Mieterverbände verfügen nicht mehr über eine einheitliche Position zur so genannten Fehlbelegungsabgabe. So hält der NRW-Landesverband des Deutschen Mieterbunds ein Festhalten an der so genannten „Ausgleichszahlung“ für Sozialwohnungen aktuell für „nicht mehr sinnvoll“, wie Karl-Heinz Vetter vom Mieterbund gegenüber der taz bekräftigte. Die Abgabe müssen Haushalte mit höherem Einkommen zahlen, um in öffentlich geförderten Wohnungen bleiben zu können.
Um ganze Stadtteile vor einer „Ghettoisierung“ zu bewahren, will die schwarz-gelbe Landesregierung die Ausgleichszahlung noch in dieser Legislaturperiode abschaffen. Dieses bereits im schwarz-gelben Koalitionsvertrag vereinbarte Vorhaben bestätigte NRW-Bauminister Oliver Wittke (CDU) unter der Woche in einem Gespräch mit dem Mieterbund NRW. „Wir wollen in Menschen und nicht mehr in Wohnungen investieren“, so Wittke. Personengebundene Mietzuschüsse sollen den sozialen Wohnungsbau ersetzen.
Die Landesregierung will die Änderung in zwei Schritten vornehmen: Die Ausgleichszahlung soll in Stadtteilen mit besonderem Erneuerungsbedarf entfallen, die Einkommensgrenzen sollen auf 30 Prozent erhöht werden. „Das Vorhaben der Landesregierung geht nicht weit genug“, sagt Burghard Schneider, Direktor des Verbands der Wohnungswirtschaft (VdW) Rheinland Westfalen. Viele Stadteile seien schon verwahrlost. Außerdem gebe es bereits jetzt Möglichkeiten, die Abgabe zu streichen.
Dass die Ausgleichszahlung längst nicht mehr in allen Städten und Kommunen gezahlt wird, bleibt in der Diskussion dennoch oft außen vor. „Das Vorhaben, die Ausgleichsabgabe für Stadtteile mit besonderem Erneuerungsbedarf abzuschaffen ist Effekthascherei, weil die Abgabe in diesen Stadtteilen schon weitgehend abgeschafft ist, zumindest aber stark eingeschränkt ist“, sagt Helmut Lierhaus vom Mieterverein Dortmund. In Dortmund würden nur noch 14 Prozent der Haushalte, die eine Sozialwohnung bewohnen, zur Ausgleichzahlung veranlagt, so Lierhaus.
Auch die Nachbarstadt Bochum handelt ähnlich. Vor vier Jahren sammelte der Förderverein Hustadt 670 Unterschriften, um die Lebensqualität in der Bochumer Plattenbausiedlung zu erhalten. Der Verein forderte die Stadt auf, die Ausgleichszahlung für das Viertel zu erlassen. Der Fehlbeleger-Anteil betrug 30 Prozent. Die Mieten für Fehlbeleger waren doppelt so hoch wie der ortsübliche Standard. Seit Oktober 2001 wurden die Ausgleichszahlungen in der Hustadt nicht mehr erhoben.
Trotz dieser Entwicklung warnt Helmut Lierhaus vor der völligen Abschaffung der Ausgleichszahlung: „Es ist die eine der letzten verbliebenen Quellen zur Finanzierung des Sozialen Wohnungsbaus. Im Jahr 2004 betrug der Erlös aus der Abgabe in NRW, bereinigt um die Verwaltungskosten, 36,5 Mio. Euro.“
Ist der Abgesang der Landesregierung also voreilig? „Wir haben mittlerweile in vielen Städten einen Leerstand von Sozialwohnungen“, sagte Karl-Heinz Vetter. Angesichts der aktuellen Wirtschaftslage sei die Ausgleichszahlung da nur hinderlich. Allerdings warnt er davor, die Abgabe für immer abzuschaffen. „Sollte sich die wirtschaftliche Situation allgemein wieder verbessern, könnten die Zahlungen einer ungerechten Vergabe von Sozialwohnungen vorbeugen.“
Ob es jemals so weit kommen wird, ist aus heutiger Sicht schwer zu beurteilen. Sicher scheint jedenfalls, dass es in naher Zukunft keine Ausgleichszahlungen für Sozialwohnungen geben wird. „Aufgrund des relativ hohen Bestandes an alten Sozialwohnungen, stehen Renovierungsarbeiten an“, sagt Karl-Heinz Vetter. Woher das Geld ohne Beteiligung der zahlungskräftigeren Mieter dann kommen soll, weiß niemand.