piwik no script img

Archiv-Artikel

Die zweite Wahl

Michael Skibbe wird als neuer Cheftrainer in Leverkusen vorgestellt. Sein Vorgesetzter und Freund Rudi Völler kehrt an den Schreibtisch zurück

AUS LEVERKUSEN DANIEL THEWELEIT

Michael Skibbe war längst gegangen, als Rudi Völler und Wolfgang Holzhäuser immer noch im Presseraum der Bayer-Stadions herumstanden und Fragen beantworteten. Im Zentrum des Vorgangs stand zwar Skibbe, er wurde am Sonntagmittag als neuer Trainer von Bayer Leverkusen vorgestellt, doch im Mittelpunkt des Interesses fanden sich seine beiden wichtigsten Vorgesetzten. Schon am ersten Arbeitstag schien sich also die Geschichte des mittlerweile 40-Jährigen fortzusetzen: Skibbe war nicht erste Wahl bei Leverkusens Trainersuche, schon als Bundestrainer stand er im Schatten Völlers, und bei Borussia Dortmund wirkte er 1998 in den großen Spuren Ottmar Hitzfelds ebenfalls klein und ein wenig verloren. Doch für Völler ist diese Existenz irgendwo am Rande der grellen Fußballbühne gar ein Qualitätsmerkmal: „Wir brauchen einen frischen jungen Mann, der zeigen will, was in ihm steckt“, sagte Völler fast väterlich.

Völler und Skibbe sind „gute Freunde“, man habe während des gesamten Prozesses der Trainersuche intensiv kommuniziert, und jetzt entschieden, dass man es versuchen wolle. Da liegt natürlich der Gedanke nah, dass die Form der Zusammenarbeit ähnlich gestaltet werde, wie es vom Duo Skibbe/Völler zwischen 2000 und 2004 in der Nationalmannschaft praktiziert worden war. Dieser Überlegung traten sie jedoch entgegen. „Das Modell von der Nationalmannschaft wird nicht hierher übertragen“, sagte Holzhäuser, „Rudi kehrt zurück an den Schreibtisch“, und Völler meinte „Michael ist alleine verantwortlich“.

Das war also schnell geklärt. Obgleich Völler verkündete, „näher an die Mannschaft heranrücken“ zu wollen. „Gemeinsam“ wolle man „die Spieler in die Pflicht nehmen“, sagte der Sportdirektor, in Fragen der Moral ist Völler demnach weiterhin Teil des Betreuerstabes, während Skibbe „der Mannschaft taktisch ein Gesicht geben soll“, das „den Stil von Bayer Leverkusen“, erkennen lässt, erklärte Völler. Also doch eine Art Kooperation, eine mittelfristige. Der Vertrag Skibbes gilt bis zum Ende der Saison 2006/2007 abgeschlossen.

Doch auch kurzfristig soll der neue Trainer das Erreichen der angestrebten Saisonziele gewährleisten. Holzhäuser erklärte wieder einmal, dass diese zwischen „Platz eins und Platz sechs“ in der Abschlusstabelle liegen, der Kader sei dafür eindeutig stark genug, betonten sie, und offensichtlich hat Völler während seiner Zeit als Interimstrainer recht genau herausgefunden, was schief läuft in dieser Mannschaft, die mit beeindruckender Konstanz unberechenbar ist. „Mehr sprechen“ müsse man mit den Spielern, sagte Völler, vor allem aber müsse „im taktischen Bereich“ gearbeitet werden, „die Qualität soll in Spielfreude und Ergebnisse umgesetzt werden“, so Völler.

Vor diesem Hintergrund ist es gar nicht so falsch, dass die zunächst favorisierte Lösung, nämlich eine Verpflichtung Matthias Sammers, scheiterte. Denn der gilt mehr als Arbeiter und Disziplinvermittler denn als Prediger des riskanten Offensivspiels. Von Morten Olsen rückte man ab, weil „es einfach schwierig ist, einen Trainer im Stress zu verpflichten“, erklärte Völler. Olsen steckt mitten in der WM-Qualifikation mit Dänemark. Und einer wie Peter Neururer ist, wie gemunkelt wird, bei den Verantwortlichen im Bayer-Konzern nicht wohl gelitten – er spricht, wie einst Reiner Calmund, die Sprache des Volkes, und das ist gegenwärtig nicht erwünscht.

Skibbe ist ein anderer Typ. Rudi Assauer sagte einst, Skibbe sei „als Trainer geboren“ worden. „Ich freue mich wahnsinnig auf die Bundesliga“, sagte Skibbe. Sein Vertrag beim DFB wurde am Samstagabend aufgelöst, jetzt will er seine Trainerkunst noch einmal auf höherem Niveau unter Beweis stellen. Das erste Spiel wird am kommenden Samstag in Mainz ausgetragen, just gegen jenen Gegner, gegen den er 1986 seine letzte Partie als Aktiver absolvierte, im Pokal mit Schalke 04. Er war 21, und sein Kreuzband riss zum dritten Mal, was seine Karriere beendete.