Die Mëkanïk der himmlischen Musik

KonzertDie französische Progressive-Legende Magma mit ekstatischem Singen im Kesselhaus

Magma. Allemal eine komische Band. Kommt aus Frankreich und hätte damit als Heimatsprache doch eine, die noch jeder Musik eine gewisse Schickness mitzugeben weiß.

Magma aber singen nicht Französisch. Sie singen in Kobaïanisch, ihrer ganz eigenen Sprache, und so lesen sich die Titel ihrer Stücke eben wie „Köhntark“, „Kreühn Köhrmahn Ïss Dëh Hündïn“ oder „Mëkanïk Zaïn“. Das klingt nicht wirklich schick, kommt aber mit Wucht.

Um ihre Sprache haben Magma gleich noch einen eigenen heilsgeschichtlichen Mythos um ihren Mutterplaneten Kobaïa gestrickt, und ihre Musik nennen sie Zeuhl. Was in Kobaïanisch so viel wie „himmlische Musik“ heißen soll.

Die 1969 von dem Schlagzeuger Christian Vander gegründete Band ist also so eine Art Mittelerde der Rockmusik. Bizarr eigenweltlich und auch musikalisch spektakulär, mit einem Trommeln in der Nacht, zu dem sich John Coltrane und Carl Orff in einem ekstatischen Veitstanz finden.

Dieser Veitstanz wurde auch wieder mal in Berlin aufgeführt. Am Mittwochabend spielten Magma im Kesselhaus der Kulturbrauerei, immerhin ganze 30 Jahre nach ihrem letzten Auftritt in der Stadt.

Und dass das dann ein ganz besonderes, andersweltliches Konzert war, konnte man schon daran abmessen, dass im Kesselhaus sogar tatsächlich mal wieder Luftgitarrenspieler bei ihrer entrückten Arbeit beobachtet werden konnten und das Publikum die Stücke, nur wenige Töne angespielt, bereits erkennend bejubelte. Obwohl Magma doch wie eigentlich noch jede rechtschaffene Progressive-Rock-Band nie einen wirklichen Hit hatten.

In Mittelerde (oder eben Kobaïa) aber braucht man gar keine Hitparaden und vertraut lieber auf die im engsten Raum kreiselnden Melodien, die im Kesselhaus mit motorischer Wucht nach vorn gepeitscht wurden. Eine insistierende Musik. Und darin aufspringend der ekstatische Gesang, das eigentliche Charakteristikum Magmas. Herausgestoßene Beschwörungen wie in archaischen Ritualen. Klagegesänge, gemurmelte Zaubersprüche, seltsames Rosenkranzbeten, sich in Chören findend. Eine sich immer weiter aufschaukelnde Prozession an Flüstern und Schreien. Lockungen. Ekstatisches Chanting.

Märsche im Zauberwald

Stimmen. Überall Stimmen. Ganz schummrig konnte es einem dabei werden, alle Orientierung wollte man verlieren in diesem Zauberwald. Wilde Bilder taten sich auf in der rundum tobenden Musik. Märsche vielleicht für eine Armee an lehmverschmierten Fabelwesen beim Bau einer gotischen Kathedrale samt den von der katholischen Kirche geborgten himmlischen Heerscharen.

Pomp und Pathos, ja. Musikalische Agnostiker dürfen da mit guten Gründen durchaus abwinken. Mit Nüchternheit aber kommt man bei dieser Musik nicht wirklich weit. Wenn man sich aber einreihte in den Marsch, wenn man mitstampfte und mit dem Kopf bestätigend den Takt schlug, gewann sie eine ungemeine Plausibilität.

Zwischendurch sang Christian Vander, zusammen mit seiner Frau, der Sängerin Stella Vander, die letztverbliebene Konstante bei Magma, einen kobaïanischen Gospelsong. Es fühlte sich an wie „Sometimes I feel like a motherless child“. Der Song steigerte sich wieder hinein in die hymnische Verzückung.

Was eben das wirklich Bizarre dieser komischen Band ist. Dass ihre Musik immer beides ist, gleichzeitig: eine einpeitschende Sklaventreiber- und eine Erlösungsmusik.

Zeuhl. Ein grimmig-böser, himmlischer Agitationssoundtrack.

Das Publikum dankte ergeben mit Jubel. Thomas Mauch