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Ein Paar drängt nach vorn

Linkspartei Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch verärgern viele ParteikollegInnen: Sie wollen als alleinige SpitzenkandidatInnen in den Bundestagswahlkampf ziehen. Der Vorstoß ist heftig umstritten

Vereint im Streit: Bernd Riexinger, Katja Kipping, Dietmar Bartsch, Sahra Wagenknecht (v. l.) Foto: Mark Mühlhaus/attenzione/Agentur Focus

von Anna Lehmann und Pascal Beucker

BERLIN taz | Rund ein Jahr vor der Bundestagswahl ist ein Machtkampf in der Linkspartei entbrannt. Die Bundestagsfrak­tionsvorsitzenden Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch wollen die Partei als SpitzenkandidatInnen in den Wahlkampf führen – und dabei die Parteispitze außen vor lassen. Dagegen regt sich Widerstand.

„Es ist naheliegend, dass die Fraktionsvorsitzenden die Partei auch im Wahlkampf führen“, sagte Wagenknecht am Mittwoch bei einem Pressefrühstück im Bundestag. Dementsprechend erwarte sie auch, dass in dieser Angelegenheit bald entschieden werde.

Auf einem internen Treffen des geschäftsführenden Bundesvorstands und der Landeschefs im Karl-Liebknecht-Haus, der Berliner Zentrale der Linkspartei, hatten Wagenknecht und Bartsch am Montag noch unverhohlener die Machtfrage gestellt: Beide sollen nicht nur erklärt haben, als Duo antreten zu wollen, sondern auch, für ein eventuelles Spitzenquartett – zu dem noch die beiden Parteivorsitzenden Katja Kipping und Bernd Riexinger gehören könnten – nicht zur Verfügung zu stehen. Dies sei völlig überraschend gekommen und eine „Kampfansage“ gewesen, berichten TeilnehmerInnen der Runde. In der Sitzung soll das Wort „Erpressung“ gefallen sein.

Brisant ist der Vorstoß, weil formal die Parteichefs Kipping und Riexinger das Vorschlagsrecht für die Spitzenkandidatur haben. Entsprechend reserviert reagierten sie. „Wir haben die Bewerbung zur Kenntnis genommen“, sagte Kipping der taz. „Es gibt unterschiedliche Modelle, und die werden gleichberechtigt debattiert.“

Co-Chef Riexinger will sich ebenfalls nicht festlegen lassen. „Wir werden das bis zum Jahresende entscheiden und im Januar an die Öffentlichkeit gehen“, sagte er der taz. Erst werde über Modelle und dann über Namen geredet. Er sehe „gar keinen Druck“, eine schnelle Entscheidung herbeizuführen. „Da kann es keine Ultimaten geben.“

In der Linkspartei ist das Unbehagen über das Vorpreschen von Wagenknecht und Bartsch groß. „Selbstkrönungen von Spitzenkandidaten sind weder gefragt noch zu diesem frühen Zeitpunkt hilfreich“, sagte Brandenburgs Linkspartei-Chef Christian Görke. Auf Twitter bezeichnete der Bundestagsabgeordnete Jan van Aken ein Spitzenduo Wagenknecht/Bartsch als „Quatsch“. die Linkspartei sei „doch viel bunter“.

Wir haben die Bewerbung zur Kenntnis genommen“

Katja Kipping, Linksparteichefin

In einem am Donnerstag veröffentlichten Aufruf votieren mehr als 30 führende LinksparteilerInnen für ein Spitzenquartett. Es müsse darum gehen, „erfolgreich die unterschiedlichen Milieus unserer Partei anzusprechen“ – von FlüchtlingshelferInnen über GewerkschafterInnen bis hin zu Friedensbewegten. „Das gemeinsame Gewicht unserer Partei- und Fraktionsvorsitzenden ist dazu eine geeignete Lösung“, schreiben die VerfasserInnen, zu denen neben Vizepartei­chefin Janine Wissler auch mehrere Bundestagsabgeordnete, Landesvorsitzende sowie die Spitzen des Jugend- und Studierendenverbandes gehören.

Auch der grüne Bundesgeschäftsführer Michael Kellner meldete sich zu Wort. Via Twitter gab er der Linkspartei einen guten Rat: „Genossen, denkt doch mal über eine Urwahl nach.“

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