SPIELPLATZ, WEDDING
: Papa geht’s nicht gut

Abgang fürsorglicher Vater, Stille auf dem Spielplatz

Das Kind ist jetzt dreieinhalb, und wenn es anfängt nachzudenken über sich und die ganze merkwürdige Welt um sich herum, sieht das mitunter sehr rührend aus. Dann schielt es ein bisschen nach oben rechts in die Luft und ist ungefähr fünf Sekunden lang still. Dann sagt es „Mama“. Und dann ist es wieder ein bisschen still, bevor es zur abschließenden Urteilsverkündung kommt, die mitunter durchaus philosophisch, „ich glaube, unser Haus hat heute Morgen noch woanders gestanden“, manchmal richtig, „manche Männer haben lange Haare“, und oft auch schlicht falsch ist: „Heute ist Dienstag.“

Nachmittags sind wir auf dem Spielplatz. Wedding, knapp vor Prenzlauer Berg. Seitdem man im Wedding seit ein, zwei Jahren plötzlich nachmittags Latte trinken kann und abends dünne Jungs in engen Hosen auf dem Weg zu irgendeinem halb geheimen Club sind, gewinnt auch das Spielplatzleben an einer gewissen Vielschichtigkeit. Jetzt gibt’s da nicht mehr nur den Vater, der ungerührt sein Nachmittagsbierchen kippt, sondern auch den erfolgreichen Kinderbuchautor – leider habe ich gerade wieder vergessen, wie sein neues Buch heißt, das er für diesen tollen Verlag schreibt – der seine Tochter betüttelt: Marie soll doch bitte nicht so hoch klettern, sonst geht’s Papi nicht gut.

Auftritt eines Vaters in Jogginghose und mit Stiernacken, dem es offenbar auch nicht so gut geht: Er rast auf eine Gruppe Kinder im Grundschulalter zu und brüllt die erbleichende Anführerin der Bande an, dass hier niemand seine Tochter schubse, ob das klar sei, sonst komme er nächstes Mal „mit dem Messer, scheißegal, kapierste“, wieder. Abgang fürsorglicher Vater, Stille auf dem Spielplatz. Das Kind schaut ein bisschen länger als sonst nach rechts oben. Merkwürdige Welt, sagt sein Blick. Dann, „Mama“. Aber mehr fällt ihm dazu ausnahmsweise auch nicht ein. ANNA KLÖPPER