: Jenseits des Horizonts
Tennis Der Deutsche Alexander Zverev feiert in St. Petersburg gegen Stan Wawrinka mit nur 19 Jahren seinen erstenATP-Turniersieg. Ein ungewöhnliches Kunststück. Einen solch jugendlichen Gewinner hat es seit acht Jahren nicht gegeben
Der Riese mit dem harten Punch ist eigentlich immer ein Thema. Selbst wenn Alexander Zverev nicht Tennis spielt, so wie kürzlich am Davis-Cup-Wochenende in Berlin, an dem er sich eine Auszeit nahm. Mehr aber noch, wenn er Tennis spielt – erfolgreicher immer mehr in diesem Jahr seines Aufstiegs in die erweiterte Weltklasse. So erfolgreich sogar, dass ihm schon im Teenageralter, also unter 20, nun sein erster Turniersieg gelungen ist. Zverev, der weltweit als Versprechen für die Zukunft gehandelt wird, ist längst ein Mann geworden, der schon in der Gegenwart Großes leisten kann.
„Ich bin überwältigt“, sagte der Hamburger, als ihm sein erstes Meisterstück beim Turnier in St. Petersburg gelungen war. Und zu dieser Überwältigung hatte Zverev auch allen Grund, hatte er doch auf der Zielgeraden des Turniers zwei langjährige, ausgebuffte Top-Ten-Spieler und Grand-Slam-Champions geschlagen. Erst Tomas Berdych, den Tschechen, im Halbfinale, einen alten Angstgegner. Und dann auch noch Stan Wawrinka, der gerade erst die US Open in New York gewonnen hatte und vor der 2:6, 6:3, 5:7-Niederlage gegen Zverev nicht weniger als elf kleinere und größere und sehr große Endspiele für sich entschieden hatte.
Bei diesem Triumphzug in der alten Heimat der Familie zeigte Zverev gleich mehrere Fähigkeiten, die ungewöhnlich sind für einen Spieler seines Alters: Er bewies Nehmerqualitäten. Schließlich war Zverev wegen seines Fernbleibens beim Relegations-Länderspiel gegen Polen hart kritisiert worden, zuletzt sogar von Profi-Weggefährten. Und dennoch offenbarte er eine Unverdrossenheit und Nervenstärke in entscheidenden Momenten. Im Endspiel steckte er sogar einen demoralisierenden 0:3-Rückstand im dritten Satz gegen Wawrinka weg. „Er wird noch viel mehr gewinnen – sehr bald“, sagte Wawrinka über den zwölf Jahre jüngeren Hamburger.
Wie ungewöhnlich Zverevs frühe Erfolge in einer Tennis-Szene geworden sind, in der sich die Karrierehorizonte in den letzten Jahren massiv verschoben haben und in der es inzwischen weit mehr Ü30-Spieler als U20-Spieler gibt, beweist schon der Blick auf die Statistik: Der letzte jugendliche Senkrechtstarter, der auf einem der Centre Courts den Pokal in die Höhe stemmte, war vor mehr als acht Jahren Marin Cilic im US-amerikanischen New Haven. Jener Cilic, immerhin, gewann später in seiner Karriere auch einen Grand-Slam-Titel, 2014 bei den US Open in New York.
Solche Erfolge werden auch Zverev von allen Experten der Branche zugetraut. Zverev hat schon jetzt das, was im Fachjargon „Big Game“ genannt wird, das große, mächtige Spiel. Harte Schläge, mit denen aus jedem Winkel des Platzes Punkte erzielt werden können. Allerdings hat Zverev in dieser Saison auch schon einiges Lehrgeld bezahlen müssen, mit seinem Turnierprogramm im ersten Halbjahr überforderte er sich sowohl körperlich wie mental. Zurück blieben eigene, unerfüllte Erwartungen, Enttäuschungen bei Fans und Turnierveranstaltern wie in Hamburg und schwere Kommunikationsmängel rund um die Absagen für das Olympiaturnier und den Davis Cup in Berlin. Zverev hatte diese Pausen möglicher Weise wirklich nötig, in jedem Fall aber hätten er und sein Management das alles besser und nachvollziehbarer erklären müssen.
Wozu er, erholt und fit, in der Lage ist, hat er in Str. Petersburg eindrucksvoll demonstriert. In der Weltrangliste rückt er wieder auf Platz 24 vor, egalisierte damit seine bisherige Bestmarke. Mit einer starken Herbstoffensive könnte der 19-Jährige erstmals unter die Top 20 vorstoßen und sich damit eine gute Ausgangslage für die Saison 2017 schaffen – vor allem bessere Plätze in den Setzlisten, dann auch gleich schon bei den Australian Open in Melbourne Mitte Januar. Was er jetzt so plane für die nächste Zeit, was die nächsten Ziele seien, wurde Zverev in St. Petersburg gefragt. Seine Antwort kam trocken: „Noch ein Turnier gewinnen.“
Jörg Allmeroth
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen