Druck auf Fehmarnbelt-Tunnel: Buddeln ohne Plan und Recht

Dänemark möchte rasch mit dem Bau des Ostseetunnels beginnen – auch ohne Rechtssicherheit auf deutscher Seite. Naturschützer sind empört.

Protest gegen „Nordeuropas größte Bau-und Umweltsünde“: Zu Tausenden stehen die blauen Kreuze der „Beltretter“ an der Ostseeküste Foto: imago/Christian Ohde

KIEL taz | Beim geplanten Ostsee-Tunnel zwischen Dänemark und Schleswig-Holstein verschärft die dänische Seite den Druck. Ein Baubeginn sei ohne abgeschlossenen gerichtlichen Weg auf deutscher Seite vorstellbar, ließ jetzt der Chef der dänischen Realisierungsgesellschaft Femern A/S, Claus Baunkjaer, durchblicken. Die regionale Tageszeitung Lolland-Falsters Folketidende zitiert ihn mit den Worten, es bestehe „die Möglichkeit, wenigstens mit einem Teil der Bauarbeiten zu beginnen, bevor der ganze Planfeststellungsbeschluss die Gerichtsinstanzen durchlaufen hat“.

Femern A/S, das im Auftrag des dänischen Staates den Bau des Bahn- und Straßentunnels realisieren soll, „bereitet sich intern auf die anstehende Bauphase vor“, so Baunkjaer laut Folketidende: „Die kann plötzlich anlaufen, weshalb wir bereit sein sollten.“ Das schleswig-holsteinische Wirtschafts- und Verkehrsministerium wiegelt auf taz-Anfrage ab. Er habe „keinen Zweifel“, sagt Minister Reinhard Meyer (SPD), „dass die Dänen vor dem Tunnel-Baustart den rechtskräftigen Planfeststellungsbeschluss auf deutscher Seite abwarten werden“.

Mal eben Fakten zu schaffen wäre „ein Affront“, kommentiert Karin Neumann, Sprecherin der „Beltretter“, die den Tunnel noch verhindern wollen: Der Dachverband von mehr als 60 Vereinen, Organisationen und Gemeinden an der Anschlussstrecke zwischen Fehmarn und Lübeck organisiert mit blauen Kreuzen den Widerstand gegen „Nordeuropas größte Bau- und Umweltsünde“, den Fehmarnbelt-Tunnel. Mehr als 9.000 förmliche Einwendungen und 84.000 Online-Petitionen wurden bis Ende August gegen die Tunnelpläne eingereicht; sie werden derzeit geprüft. Der Zeitplan für die öffentliche Erörterung liegt noch nicht vor.

Sowohl die deutsche als auch die dänische Seite gehen inzwischen davon aus, dass der Bau des Tunnels nicht vor 2021 beginnen und wahrscheinlich erst 2028 abgeschlossen sein kann. Mit einem Planfeststellungsbeschluss auf deutscher Seite ist nicht vor Ende kommenden Jahres zu rechnen. Die zu erwartenden Klagen vor dem Bundesverwaltungsgericht dürften weitere drei bis vier Jahre in Anspruch nehmen.

Die Grundlage für die Fehmarnbelt-Querung ist ein deutsch-dänischer Staatsvertrag von 2009.

Strecke: Die rund 19 Kilometer breite Meerenge soll für eine vierspurige Autobahn und zwei Bahngleise untertunnelt werden.

Kosten: Von 5,5 Milliarden Euro im Sommer 2014 ist die Kostenschätzung aktuell auf 7,4 Milliarden Euro gestiegen.

Amortisierung: Die Refinanzierung durch die Tunnelmaut liegt bei etwa 36 Jahren.

Anschluss Dänemark: Straßen und Schienen von Rødby bis Kopenhagen baut der dänische Staat für 1,3 Milliarden Euro aus.

Anschluss Deutschland: Straßen und Schienen von Fehmarn bis Lübeck sollen von Bund und Bahn ausgebaut werden. Ursprünglich mit 817 Millionen Euro angesetzt, spricht die Bundesregierung nun von mindestens 2,2 Milliarden Euro. Kritiker befürchten Kosten von bis zu drei Milliarden Euro.

Auf dänischer Seite hingegen schuf das Parlament am 28. April 2015 mit einem Baugesetz gültiges Recht. Vor diesem Hintergrund ist die wachsende Ungeduld mit dem weitaus komplizierteren deutschen Planungs- und Umweltrecht verständlich, zumal Dänemark den Tunnel vollständig selbst finanzieren will. Gleichwohl beginnt in der Mitte des Fehmarnbelts deutsches Hoheitsgebiet – also der Geltungsbereich deutschen Rechts.

Eben das sieht der Naturschutzbund (Nabu) in Gefahr: Mit dem Tunnelbau zu beginnen, während auf deutscher Seite noch Gerichte „die Vereinbarkeit des Mammutvorhabens mitten in einem europäischen Schutzgebiet mit nationalen und europäischen Umweltrechtsnormen klären“, hält der Fehmarn-Experte des Nabu, Malte Siegert, für eine „zumindest zweifelhafte Rechtsauffassung“ seitens Femern A/S. Ein solches Vorgehen könnte auch als Versuch gewertet werden, „unabhängige deutsche Gerichte in ungebührlicher Art und Weise unter Druck zu setzen“, findet er.

Das sei natürlich überhaupt nicht beabsichtigt, sagt Felix Irmer, Sprecher von Femern A/S in Deutschland. „Wir kennen und respektieren das deutsche Genehmigungsverfahren. Ohne den Planfeststellungsbeschluss werden keine Tunnelbauarbeiten vorgenommen.“ Die Äußerungen Baunkjaers in der Presse seien lediglich so zu verstehen, dass „die Vorbereitungen für die Bauphase“ weitergingen.

Selbst das wäre aber verzwickt: 2019 enden die Preisgarantien der Baukonsortien, mit denen Femern A/S im Mai Verträge abgeschlossen hat. Danach stünden Neuverhandlungen an. Höhere Preise wären die Folge.

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