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KUNST

KunstBeate Schederschaut sich in Berlins Galerien um

Beinahe so wie die manipulierte Mülltonne, die Fabian Knecht von der Galerie Alexander Levy am Eingang der abc abgestellt hat, raucht einem nach der Berlin Art Week der Kopf. Sechs Tage voller Eröffnungen, Ausstellungen, Performances, Messen, Talks und Empfänge. Was für ein Überangebot! An der abc lag das allerdings nur bedingt, denn die hatte sich in der 9. Ausgabe radikal verkleinert. Statt mehr als 100 Galerien wie in den vergangenen Jahren waren nur 62 vertreten, 33 davon aus Berlin. Den Pessimisten lieferte das prompt Futter, über das Ende der Messe zu spekulieren. An Qualität mangelte es indes nicht. Gleich hinter dem Einlass zum Beispiel landete man direkt vor dem Diorama Andrew Gilberts, im Programm der Münchner Galerie Sperling, einer ebenso schrillen wie kritischen Auseinandersetzung mit Kolonialismus, gewidmet dem Zulu-König Shaka. In der Koje von Galerie Neu deklinierte Sean Snyder zeitgenössische wie historische visuelle Formate und Ideale durch, stellte vermeintlich perfekte Verhältnisse Algorithmen gegenüber sowie Fragen zur Zugänglichkeit von Bildern. Kraupa-Tuskany Zeidler präsentierten ein Video des arabischen Künstlerkollektivs GCC, einen Augmented-Reality-Blick durchs Schlüsselloch in ein historisches Hotel in Paris bestückt mit Objekten des digitalen Zeitalters. Eva Grubinger (Galerie Tobias Naehring) baute Geduldspiele in vergrößertem Maßstab nach, verwandelte die Fingerübung ins skulpturale Phallussymbol. Wenige Schritte entfernt und vielleicht am spektakulärsten: der Einmannbunker, den Daniel Knorr für die Wiener Galerie nächst St. Stephan vom Braunschweiger Hafen in die Messe verfrachtete. Eine der überraschend wenigen Arbeiten mit politischem Bezug, Neuinszenierung eines historischen Artefakts und ein Symbol der Hoffnung: Oben aus dem Beton ragte der Spross eines Pflänzchens.

Die abc ist vorbei, die Galerieausstellungen dauern noch ein Weilchen an. Zum Beispiel Yves Scherers ironische Reflexionen über das Singledasein bei Guido W. Baudach. Schon auf der Einladung zur Schau zeigt sich Scherer mit Jeans und nacktem Oberkörper. Ob das seinen Profilbildern auf den bekannten Dating-Apps entspricht, ist nicht bekannt. Die Ausstellung ist ein assoziativ verbundenes Sammelsurium an Objekten, (Video-)Installationen, Collagen, Gemälden samt auf Holz gesprühter Telefonnummern und einer Auswahl schräger Gestalten, die Scherer aus Putzgeräten, Kleidung, Tierfellen und Masken zusammengebastelt hat. Erinnerungen an seine Begegnungen im Dating-Dschungel? Offenbar hat das Alleinsein auch Vorzüge (bis 31. 10., Di.–Sa. 11–18 Uhr, Potsdamer Str. 85).

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