: berliner szenen Im Roten Kochsalon
Der Tod des Käseigels
Der Glückskeks, den ich am Eingang bekomme, rät mir zur Ausdauer – und das an einem Abend, der „Gequälte Brötchen“ heißt. So wie das Buch, das heute Premiere hat. Aber bloß durchhalten will ich diesen Abend, der ja immerhin „zum Sehen, Hören und Schmecken“ da sein soll, nicht. Muss ich auch nicht.
Was ist an Jovanka von Willsdorfs Küchenzauberbuch anders als an jedem Kochbuch? Vor allem wohl die überquellenden Märchentonfallworte, mit denen die Sängerin der Band Quarks ihren Zugang zu Nahrung beschreibt. Alles in den „Gequälten Brötchen“ ist detailliert, verspielt, poetisch und verrät den Willen zur Neo-Retro-Ästhetik.
Genau das tut auch das Damen-Duo auf der Bühne: Der Autorin weißgrünes Stretchkleid passt wunderbar zum Gurkensalat des Eröffnungsvortrags, den die Illustratorin Chrish Klose mit lädiertem rotem Nagellack live zu ihren Grafiken arrangiert. Das wird dann gefilmt und dem Publikum via Beamer gezeigt. Danach gibt es schicke Trickfilmchen, die irgendwie aus den Illustrationen des Buches gewonnen wurden und die Klose manipuliert wie ein Club-VJ. Eine Comic-Jovanka spielt die Hauptrolle.
Jedes Buchkapitel wird mit einem Gong eingeleitet, am Ende sagen die beiden Kochbuchperformerinnen Danke. Dazwischen erfährt man mehr über das Potenzial verkochter Nudeln, Ei-Teilerei, Trösteteller und problematische Tiere in der Nahrungskette, zum Beispiel fusselverklebte Leckmuscheln. Dann fordert die Autorin zum Test der Geschmacksunterschiede von Rot und Grün auf. Das Publikum will aber nicht. Schnell ein Lichtwechsel. Zum Schluss erklingt das Lied „Die Dinge leben“. Nur der Zugabe-Käseigel ist tot und wird ganz unsentimental gleich verschmaust. IMKE STAATS