: Arbeit mit Notnägeln
TENNIS Das deutsche Team bleibt nach dem Sieg gegen Polen zwar in der Weltgruppe des Davis Cups, aber das ist auch die einzige Nachricht, über die sich der Deutsche Tennis-Bund freuen darf
Die internen Spannungen schienen auch die Mannschaft zu hemmen. „Das Wochenende hat mich ein paar Jahre Nerven gekostet“, gestand Teamchef Michael Kohlmann nach Spielende. Die Öffentlichkeit erwartete trotz der Notnagel-Besetzung nicht weniger als einen überlegenen Sieg, liegt doch der beste Mann der Polen, Kamil Majchrzak, auf einem bescheidenen Platz 277 der Weltrangliste. Die Deutschen aber verkrampften. „Ich war selten so angespannt wie heute. Die Polen hatten nichts zu verlieren, der Druck war riesig“, sagte Florian Mayer nach seiner ersten Partie. „Meine Nerven hatte ich nicht im Griff.“
Die 2:0-Führung zum Samstag war glücklich, die Leistung mittelmäßig. Kohlmanns Auserwählte schienen jeden Ball zu überdenken, der Instinkt blieb irgendwo unter dem Sand begraben. Die eilig zum Stammpersonal beförderten Daniel Brands und Daniel Masur, die noch nie im Doppel zusammen gespielt hatten, unterlagen am Samstag erwartungsgemäß dem erfahrenen polnischen Duo Matkowski und Kubot; der weiter nervöse Florian Mayer verlor am Sonntag sein Einzel. So musste Jan-Lennard Struff im letzten Einzel dem Druck standhalten, beim Stand von 2:2 den plötzlich ziemlich nahe gerückten Abstieg zu verhindern. „Ich wusste, dass ich ein besseres Match abliefern muss als am ersten Tag“, gab er cool zu Protokoll. Was er dann auch tat. Die Aussagekraft für die Zukunft indes ist begrenzt. Der 33-jährige Mayer erklärte gleich nach dem letzten Match seinen Rücktritt aus dem Davis-Cup-Team; der 29-jährige Brands und der 26-jährige Struff sind weder erste Garde noch Zukunftshoffnungen. Und der eigentlich gesetzte Philipp Kohlschreiber, der verletzt passen musste, wird 33 Jahre alt. „Ich möchte den Weg freimachen für die nächste Generation“, sagte Mayer zu seinem Abschied. Aber es drängen sich nicht viele auf.
Stattdessen bleiben die Streitigkeiten. Um die Teilnahme am Davis Cup verpflichtender zu machen, hat der Verband vergangene Woche Dustin Brown, Mischa Zverev sowie Tobias Kamke wegen ihrer Absagen für die Davis-Cup-Saison 2017 gesperrt. Was ein knallhartes Durchgreifen symbolisieren soll, ist aber von recht zweifelhafter Logik: Toptalent Alexander Zverev, Bruder von Mischa, der von allen Beteiligten die schlechteste Ausrede hatte, wird nicht gesperrt. Wäre ja auch schön blöd, wenn man, wo man eh kaum Personal hat, auf den besten Mann verzichten würde. Das Einschüchterungspotenzial hält sich damit in Grenzen. Dustin Brown empörte sich bereits auf Twitter. So motiviert man niemanden für den Davis Cup.
Neues Format
Auch die Zuschauerzahlen in Berlin blieben überschaubar: An keinem der Tage war das Steffi-Graf-Stadion ausverkauft, die offiziellen Zahlen schwankten zwischen 2.500 und 3.000. Klaus Eberhard, Sportdirektor des DTB, sagte jüngst im Tagesspiegel, es werde im Weltverband ein kürzeres Format des Davis Cups mit nur noch zwei Gewinnsätzen bei den Einzeln diskutiert; außerdem gibt es offenbar konkrete Pläne, das Finale des Davis Cups an einen neutralen Ort zu verlegen. „Wir werden in den nächsten Jahren eine Reform erleben“, sagte Teamchef Kohlmann. Er räumte allerdings auch ein, die perfekte Idee, den Pokal wiederzubeleben, sei noch nicht gefunden.
Im Moment hat er sowieso wichtigere Probleme: Mit den Sperren von Brown, Kamke und dem älteren Zverev sowie dem Rücktritt von Mayer gehen Teamchef Kohlmann allmählich die Spieler aus. Immerhin Jan-Lennart Struff verkündete nach dem Spiel enthusiastisch, es sei sein Traum, im Nationalteam anzutreten. Zumindest einer. Alina Schwermer
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