: Paradies in unwirtlicher Gegend
GRÜN 2017 wird die Internationale Gartenausstellung IGA in Marzahn stattfinden. Eine Ausstellung des Zentrums für Kunst und öffentlichen Raum (ZKR) im Schloss Biesdorf widmet sich nun der Landschaft
Von Ronald Berg
„Toll“ – „ein herausragender Ort“ – „großartig“, das waren am Freitag die Worte Michael Müller zur Eröffnung des frisch restaurierten Schlosses Biesdorf am Freitag. Was hätte der Regierende Bürgermeister auch sonst sagen sollen? Schließlich stecken 10 Millionen Euro öffentliche Mittel (neben dem Land Berlin auch von EU und von Berliner Lotto Stiftung) in dem Projekt. Aber Müller hat recht: Schloss Biesdorf, jetzt um sein 1945 abgebranntes Obergeschoss ergänzt, ist ein Kleinod. Das ganze Areal mit dem alten Baumbestand des Parks rings um das Gebäude wirkt wie ein Paradiesgarten inmitten einer eher unwirtlichen Gegend von Schneisen, Einkaufscenter, Autohaus und Einfamilienhäuschen.
Es ist schon aus diesem Grund sinnvoll, sich an diesem Ort dem Thema Landschaft zu widmen. Genau das ist das Programm des nun offiziell als „Zentrum für Kunst und öffentlichen Raum“ (ZKR) firmierenden Ausstellungshauses im Bezirk Marzahn-Hellersdorf. Das Schloss – eigentlich eine historisierende Villa aus dem Jahre 1968 des seinerzeit renommierten Architekturbüros von Martin Gropius und Heino Schmieden – wird nun von der landeseigenes Grün Berlin GmbH betrieben. Das Unternehmen organisiert auch die nächstes Jahr in Marzahn stattfindende Internationale Gartenausstellung (IGA). Schloss Biesdorf wird dann eine Art Satellit der IGA sein. Schon jetzt aber bietet „Auftrag Landschaft“, die erste Ausstellung des ZKR, eine Einführung zum Thema Grün mit künstlerischen Mitteln.
Von den rund 30 beteiligten Künstlern wird ein Drittel auch an der IGA beteiligt sein, bei den restlichen Werken handelt es sich um Kunst aus der DDR. Sie stammen aus dem Kunstarchiv Beeskow. Die Kooperation mit der Dokumentationsstelle zur Bildenden Kunst in der DDR ist Teil der Konzeption von Katja Aßmann, Direktorin des ZKR. Aßmann hatte zuvor bei den Ruhrgebietsausstellungen „Emscher Park“ und „Ruhr.2010“ Erfahrung mit Landschaftsarchitektur gesammelt. Die Kopplung von zeitgenössischem Mainstream und alter DDR-Kunst bei „Auftrag Landschaft“ hat in dieser Form wohl noch nie stattgefunden, macht aber Sinn. Denn Schloss Biesdorf steht exemplarisch für eine Reihe von Schnittstellen in der (Stadt‑)Landschaft: Alt/neu, Ost/West, Stadt/Land, treffen am Ort aufeinander.
Ungewohnte Situation
Für die Kunst ergibt sich ebenfalls eine ungewohnte Situation. Denn die entfernt an Kokoschka erinnernde Machart der Gemälde von Günther Brendel aus den Jahren 1978/80 vom „Baugeschehen in Biesdorf-Marzahn“ und Seraphina Lenz’ „Werkstatt für Veränderung“, ein partizipatives Projekt mit Anwohnern zur Ertüchtigung eines Parks über der neuen Autobahn in Berlin-Neukölln, scheinen aus zwei unterschiedlichen Welten zu stammen. Trotzdem thematisieren beide den Umgang mit Landschaft im Stadtraum.
Man kann dieses Aufeinanderprallen vielfältiger Differenzen in der Schau durchaus als Qualität sehen. Wo wird denn heute eigentlich der derzeit gängige Kunstbegriff überhaupt noch einmal in Frage gestellt? Die Paarung mit DDR-Kunst leistet auch das. Auch wenn man sagen muss, dass die im Auftrag von Partei, Gewerkschaft und FDJ entstandenen Gemälde, Grafik-Mappen oder Aquarelle von heimatlichen Gefilden aus dem Beeskower Archiv keine Meisterwerke sind. Dass manch düsteres Bild zu DDR-Zeiten bereits in den Ruch der Systemkritik geriet, ist heute kaum noch nachvollziehbar.
Markt und Freiheit
Auch das Verdikt, es handele sich bei der Auftragskunst nicht um ernst zu nehmende, weil unfreie, vielleicht auch unwahre Kunst, wird in der Zusammenstellung mit der aktuellen Kunst des Kapitalismus noch einmal relativiert. Machen denn Marktbedingungen die Kunstproduktion so viel freier? Christoph Schmidt jedenfalls, Geschäftsführer der Grün GmbH, erklärte ganz freimütig, er wolle die Aktivitäten auf Schloss Biesdorf als „Marketing-Potenzial“ für die IGA nutzen.
Da ist es doch interessant, dass ausgerechnet der seit DDR-Zeiten aktive Künstler Olaf Wegewitz, inzwischen an „respektierten Arealen“ arbeitet, wo die Natur sich ungestört entfalten darf. In der Ausstellung ist der Entwurf für eine „goldene Brücke“ zu sehen, auf der man in dieses Reich der (künstlerischen) Freiheit gelangt.
ZKR/Schloss Biesdorf, bis April 2017, Di., Mi., Fr.–So. 10–18, Do. 13–21 Uhr. gruen-berlin.de/de/unsere-parks/zkr-schloss-biesdorf
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