: Vorzeige-Zuwanderer
DIE GUTEN Teils mit Absicht importiert, teils von allein eingewandert, finden viele Arten hier biologische Nischen. Naturschützer freut’s
BERLIN taz | Exotisch und fremdartig – so werden neue Tierarten in Deutschland oft betrachtet. „Undifferenziert“ sei das, beklagt das Bundesamt für Naturschutz (BfN). Denn viele der Neuankömmlinge, deren Ursprung in anderen Teilen der Welt liegt, fügen sich nahtlos in die hiesigen Ökosysteme ein, ohne Tiere oder Pflanzen zu bedrohen. Zum Beispiel die folgenden:
Chile-Flamingo
Viele kennen ihn hierzulande nur aus dem Zoo. Tatsächlich steht der rosa Vogel auf der globalen Roten Liste bedrohter Tierarten. Gegenüber schätzungsweise 500.000 Tieren in den 1970er Jahren ist der Bestand auf weltweit etwa 200.000 Exemplare zurückgegangen. Phoenicopterus chilensis, so der lateinische Name, brütet eigentlich im Hochland Südamerikas, zwischen Peru und Feuerland. Außerhalb des Kontinents sind nur wenige Brutkolonien bekannt, eine davon befindet sich im niederländisch-deutschen Grenzgebiet am Zwillbrocker Venn. Man vermutet, dass die dort lebenden Tiere aus den Volieren eines Zoos oder von privaten Haltungen entflogen sind.
Damhirsch
Es waren die Römer, die Dama dama aus Vorderasien nach Europa brachten. Den jagdbegeisterten Adel im Mittelalter freute dies: Bei Landesherren war er als Beute beliebt. Die größten Bestände finden sich heute in Großbritannien, aber auch in Deutschland leben die Hirsche – und werden bisweilen auch zur Fleischproduktion gezüchtet. Die tagaktiven Tiere bevorzugen offene Landschaften, kommen aber auch in Regionen klar, die intensiv landwirtschaftlich genutzt werden – wie weite Teile Deutschlands. Das Rotwild gilt als unproblematisch für lokale Ökosysteme. Der seltenere Mesopotamische Damhirsch wird seit 1955 im Rahmen des „Europäischen Erhaltungszuchtprogramms“ sogar gezielt nachgezüchtet.
Kermesbeere
Die Kermesbeere ist in deutschen Gärten verbreitet, ihr Ursprung liegt jedoch in Asien. Als Zierpflanze wurde das Gewächs mit dunkelroten Beeren nach Europa gebracht. In Sachen Integration kann sie als Musterknabe gelten: Den Biologen sind keinerlei negative Auswirkungen auf das Ökosystem bekannt. Allerdings sollten Kinder der Pflanze mit Vorsicht begegnen: Die Beeren sind teils schwach giftig, wer sie isst, kann Magenbeschwerden und Brechreiz bekommen. Für Rheumapatienten hatte dies früher unangenehme Folgen – sie wurden bisweilen mit den Beeren behandelt.
Wolf
Der Canis lupus ist kein sogenannter Neobiota, sonder eine Art Emigrationsrückkehrer. Seit einigen Jahren gibt es in der Lausitz und sogar in Niedersachsen wieder Wölfe. In Sagen wird er oft als gefährlicher, wildernder Schafs- und Menschenfresser gezeichnet, weshalb das einst am weitesten verbreitete Raubtier der Welt in Europa fast bis zur Ausrottung gejagt wurde. Nach Einschätzung des Naturschutzbundes werden Wölfe jedoch langfristig wieder in allen deutschen Flächenländern vorkommen. Ihre Rückkehr zeigt vor allem den Erfolg von Naturschutzmaßnahmen. Denn Biologen stufen den Wolf seit längerer Zeit als bedrohte Tierart ein, im Berner Artenschutzabkommen wird er sogar als „besonders gefährdet“ geführt. Damit ist er europaweit vor der Jagd geschützt. Bei Bauernverbänden stößt dies regelmäßig auf Kritik: Sie sehen die neuen Wölfe vor allem als Gefahr für weidende Schafe und Rinder. Laut BfN soll ein zentrales Monitoring in Deutschland eingeführt werden und „steuernd eingegriffen“ werden, etwa wenn Wölfe ihrem Ruf nachkommen und Weidetiere reißen.
CÉDRIC KOCH, FRANZISKA SCHULTESS