: Zum Essen nach nebenan
SCHULE An einer Frohnauer Grundschule müssen Kinder ohne Hortvertrag getrennt von ihren Klassen-kameraden Mittag essen. Das sei Schikane, um Eltern zu Hortverträgen zu drängen, sagt ein Vater
von Anna Klöpper
Tilman Heller hätte es sich leicht machen können. Er hätte für seinen Sohn, Zweitklässler an der Frohnauer Renée-Sintenis-Grundschule, einfach einen Hortvertrag abschließen können – dann hätte sein Sohn nicht mehr mit zwei Klassenkameraden separiert in einem Nebenraum essen müssen, während die anderen Klassenkameraden in der Mensa sitzen. Nur: Die Familie benötigt den Hortvertrag gar nicht. „Pure Schikane auf Kosten der Kinder“, wirft Vater Heller nun der Schulleitung vor. „Die Eltern sollen so zum Abschluss eines Hortvertrags gedrängt werden.“
Ein Leervertrag also – der aus Sicht der Schulleitung aber vorteilhaft wäre. Denn das System Schulhort und Mittagessen funktioniert in Berlin so: alle Grundschulen sind sogenannte Verlässliche Halbtagsgrundschulen. Das heißt, das Kind wird in jedem Fall bis 13.30 Uhr im Hortbereich der Schule betreut – auch wenn der Unterricht früher endet. Das Mensaessen ist für Kinder ohne Hortvertrag möglich, wenn die Eltern den vollen, nicht vom Land bezuschussten Essenpreis von 65 Euro zahlen – und wenn die Kapazität der Mensa ausreicht.
„Die Schulleitung hat uns gesagt, Platzmangel sei auch der Grund für die Ausgrenzung der Nicht-Hortkinder“, sagt Heller. In einem Gespräch mit der Hortleitung, das der Vater als Wortprotokoll an die Senatsverwaltung für Finanzen schickt und das der taz vorliegt, stellt sich die Sache aber anders dar. Dort erklärt die Hortleitung: Viele Eltern hätten lediglich deshalb einen Vertrag abgeschlossen, „damit die Kinder Mittag essen können“ – und bieten Hilfe bei der Antragstellung für einen Scheinvertrag mit dem Jugendamt an. Hier vermutet Heller den eigentlichen Grund für die „Schikane“: Denn der Hortträger kann jeden abgeschlossenen Betreuungsvertrag bei der Anmeldung des Personalbedarfs geltend machen.
Ein „leerer“ Vertrag hätte für die Schule einen Vorteil: Den viel kritisierten Betreuungsschlüssel in den Horten – derzeit liegt er bei durchschnittlich einer Erzieherin für 22 Kinder – entlastet das. Die Eltern und das Land, das die Hortverträge subventioniert, zahlen drauf.
Im Fall der Sintenis-Grundschule ist der Bezirk Träger des Horts – das heißt, die Schule macht die Personalplanung selbst. Die eingesprungene Vertretung Annett Greulich – die Schulleitung weilt am Dienstag auf Klassenfahrt – mag das getrennte Mittagessen nicht kommentieren und verweist auf die Senatsbildungsverwaltung.
„Wohl ein Einzelfall“, sagt dort eine Sprecherin. Ein Mitarbeiter der zuständigen Fachaufsicht habe am vergangenen Freitag in der Schule „den Sachverhalt mit allen Beteiligten besprochen“. Doch auch am Montag, sagt Heller, habe es wieder eine Separierung der drei Nicht-Hortkinder gegeben. Schulleitung Greulich sagte am Dienstag, man wolle sich nun noch mal mit dem Vater zusammensetzen. Aus der Senatsbildungsverwaltung hieß es, man sei weiter an dem Fall dran.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen