: Wohnen ist wesentlich
ZWECKENTFREMDUNG Zweitwohnungen sollen laut Verwaltungsgericht in erster Linie zum Wohnen des Eigentümers dienen und nicht der Vermietung
Zweitwohnungen als Ferienwohnungen: Zu dieser Frage hat das Verwaltungsgericht Berlin Mitte August erneut ein Urteil gefällt. Und differenziert damit die eigene Rechtsprechung. So war Anfang August noch entschieden worden, dass Zweitwohnungen – trotz Zweckentfremdungsverbot – an zahlende Feriengäste vermietet werden dürfen (siehe taz vom 9. 8. 2016).
Drei Kläger hatten dabei argumentiert, dass sie ihre Zweitwohnungen ein Teil des Jahres neben privaten auch für berufliche Zwecke nutzen. Dem schloss sich die Richterin an. In der Urteilsbegründung hieß es, durch die Vermietung in der übrigen Zeit trete kein Wohnraumverlust ein, da die Zweitwohnung auch ohne Vermietung an Touristen nicht als reguläre Wohnung zur Verfügung stehe. Der Berliner Senat befürchtet, dass das Zweckentfremdungsverbot damit durchlöchert werden könnte. So warnte Engelbert Lütke Daldrup (SPD), Staatssekretär für Bauen und Wohnen, davor, dass viele ermuntert werden könnten, eine fiktive Zweitwohnung in Berlin zu eröffnen, die in Wirklichkeit eine Ferienwohnung sei.
Diese Befürchtungen sind durch die neue Entscheidung nun aber wenigstens abgeschwächt worden – wenngleich zu erwarten ist, dass Eigentümer von Zweitwohnungen weiter nach Schlupflöchern suchen werden, um das Zweckentfremdungsverbot zu umgehen. Nach dem zweiten Urteil gelte eine Ausnahmeregelung vom Berliner Ferienwohnungsverbot zumindest nicht per se für alle Zweitwohnungsbesitzer – nämlich dann nicht mehr, „wenn die Funktion des Wohnens ganz unwesentlich sei oder nur zum Schein erfolge“.
Geklagt hatten die Eigentümer eines Mehrfamilienhauses mit vier Wohnungen im Bezirk Tempelhof-Schöneberg. Eine bewohnen sie selbst, zwei sind dauerhaft vermietet. Die vierte Wohnung nutzte das Paar bislang als Gästewohnung für Familie und Freunde, aber auch, wenn einer von beiden laut schnarchte – der andere schlief dann in der freien Wohnung. Die restliche Zeit wurde die Wohnung an Gäste vermietet. Wegen des Inkrafttreten des Zweckentfremdungsverbots beantragten die Eigentümer eine Ausnahmegenehmigung beim Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg, die aber abgelehnt wurde.
Doch nun wies das Verwaltungsgericht die Klage ab. Entscheidend sei, ob die Wohnung wesentlich zu Wohnzwecken genutzt werde. Dafür müsse dem Wohnungsinhaber allerdings den ganzen Tag zumindest ein Raum zur privaten Verfügung stehen und die Möglichkeit bieten, darin „den Tätigkeiten und Nutzungsweisen nachzugehen, die zum Begriff des Wohnens gehören“. Gegen das Urteil können die Kläger Berufung beim Oberwaltungsgericht Berlin-Brandenburg einlegen. OS
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen