DAS WIRD DER MONAT, DER WIRD (9)
: Löwin unter Amazonen

VORSCHAU Heute mit dem ersten Auftritt der neuen DFB-Trainerin, olympischen Rätseln, Russen auf Bewährung und einem besonderen 9/11

Rio/Worldhausen, 3. September. Auch 14 Tage nach Olympia glühen die sozialen Netzwerke wegen grundsätzlicher Fragen: Wer hat Frauen einst auf so dürre Schwebebalken geschickt und warum keine Männer? Welche historischen Hintergründe hat das Kuriosum Wassergraben bei den 3.000 Metern Hindernis? Wieso drei Medaillensorten, wieso genau diese fünf Disziplinen im Modernen Fünfkampf? Warum konnte keine Amazone im Amazonas-Land den Heimvorteil beim Springreiten nutzen? Und wieso gibt es immer noch diese schiefen Startnummern mit Sicherheitsnadeln auf durchdesignten Trikotagen, so hässlich wie notdürftig angebracht? „Beim heiligen Wel­terbantam“, schreibt eine Bloggerin, „das IOC schweigt, schwer beschäftigt im modernen Funktionärsdreikampf von Doping-Management, privatem Ticketing und in der Korruptionswill-Kür.“

Oslo, 4. September. Überraschend geschmeidig geht der Wechsel von Bundestrainer Joachim Löw zu Nachfolgerin Jasmin Löw vonstatten. Das erste Pflichtspiel nach seiner/ihrer Geschlechtstransformation (siehe taz-Wahrheit vom 15. 8.) endet mit einem flüssigen 4:0 gegen Norwegen in der WM-Qualifikation. Teammanager Oliver Bierhoff lobt „die maximal mögliche Kontinuität“ im Trainer*instab des DFB. Löws neuer Partner (Bild: „Der Neue an ihrer Seite“) fehlt im Stadion: „Fußball ist nicht so mein Ding.“

Rio/Moskau, 7. September. „Gedopte Sportler sind in ihrem körperlichen Verhalten behindert. Deshalb sind die Paralympics ihr natürliches Habitat.“ Mit dieser Begründung zwangsverpflichtet das IOC die russischen Leichtathleten bei den heute beginnenden Paralympics. Die zuletzt ausgeschlossenen Aktiven nehmen „außer Konkurrenz und auf Bewährung“ teil. Stabhochspringerin Jelena Issenbajewa ist empört: „Gut, dass ich meine Karriere gerade beendet habe. Ich wäre doch nicht mit meinem Knüppel gegen Krüppel angetreten.“ Wladimir Putin sieht „eine Verschwörung des internationalen Inklusionismus“.

New York, 11. September. Am 15. Jahrestag des Türmemassakers ist der große Apfel im Ausnahmezustand: Millionen bei Schweigedemos, Verkehrskollaps, olympiawürdige Security-Rekorde. Niemand will dafür verantwortlich sein, dass ausgerechnet heute Finaltag der US Open im Tennis ist und kaum wer den Weg nach Flushing Mea­dow findet. Derweil erlebt Angelique Kerber ihr persönliches 9/11: Die passionierte Finalverliererin unterliegt im Endspiel gegen Venus Williams und verpasst erneut den Sprung an die Weltspitze.

Mönchdortmünchkusen, 14. September. Der erste Spieltag der Champions League endet mit vier deutschen Siegen. Die Fans sind trotzdem zufrieden.

Salzburg, 15. September. Redbull Salzburg verzichtet „für die nächsten Jahre“ auf jegliche Ambitionen in der Cham­pions League und will sich „ganz auf die Europa League konzentrieren“.

Fischtown, 16. September. Massive Kritik von Linguisten schlägt dem neuen Eishockey-Erstligateam entgegen, das offiziell (kein Witz!) „Fischtown Pinguins Bremerhaven“ heißt und die aufgetauten Hamburg Freezers in der DEL ersetzt. „Müsste es nicht Fishtown heißen oder eben Fischstadt?“, fragen Sprachpuristen. „Und entweder Penguins oder Pinguine, aber nicht noch ein gemischter Wronganglizismus.“ Immerhin schreiben sie den Stadtnamen richtig, auch wenn Hafen näher liegt als Haven. Den Ice-Kräcks ist das sausage – sie besiegen im first Seasonspiel die GrizzlyBears Wolfscastle four zu drei.

Frankfurt, 24. September. Die Fußball-Bundesliga quält sich in die neue Saison. Mehrfach werden nicht ausverkaufte Stadion verortet, nicht nur in Berlin. Auch Hits wie Ingolstadt–Leipzig oder Darmstadt–Freiburg werden von der Sportwelt fast übersehen. Derweil streben die Regionalligen West und Südwest mit insgesamt elf traurigen Ex-Erstligisten „eine kraftvolle Fusion mit der Vergangenheit“ an. Rot-Weiss Essen, Wattenscheid 09, Aachen und Waldhof Mannheim stellen sich so „gegen die verkommene Vollkommen-Verkommerzialisierung“.

Chaska, 30. September. Europa startet beim Ryder Cup gegen die USA mit deutlichen Siegen in den Doppeln. Noch in der Nacht wird Vize-Captain Tiger Woods vom „Kommando US First“ verschleppt: „Selbst wenn dieser Mann nicht spielt und nur Helfer ist, bringt er Unglück wie zuletzt immer.“ Der Golfplatzbauer Donald Trump will den zu Farbigen der Staaten verweisen. „Nur ein weißes Amerika ist ein großes Amerika. Wir spielen ja auch nicht mit schwarzen Bällen.“ Bernd Müllender