Portrait: Der Flüchtling
Die „Entnazifizierung“ der Partei wollte er noch verhindern. Jetzt hat er der NPD den Rücken gekehrt. Der bekennende Nationalsozialist Thomas Wulff ist ausgetreten – und die Ursache ist nicht der verpasste Wiedereinzug in den Landtag von Mecklenburg-Vorpommern.
Schon Tage vor dem Wahltag twitterte sein enger Mitstreiter, der Freie Nationalist Dieter Riefling, „Eilmeldung – Thomas ‚Steiner‘ Wulf gibt Austritt aus der NPD bekannt!“ Eilmeldung? So bedeutend? Ja, in der rechtsextremen Szene hat der bisherige Hamburger Landesvorsitzende bis heute großen Einfluss.
Wulff hält der NPD in einer E-Mail, die in der Szene kursiert, vor, „von innen heraus verfault“ zu sein. Die Partei habe jede Glaubwürdigkeit verloren, sei ein „trauriger Haufen“, der einen „politischen Verrat an der Idee des gemeinsamen unerschrockenen Kampfs für unser Volk“ verübt hätte, schreibt Wulff, der seinen Spitznamen Steiner von dem ehemaligen Waffen-SS-General Felix Steiner abgeleitet hat. Gegenüber dem NDR spricht er von „internen Machenschaften“ und von Postenschacherei. Mit der taz spricht er nicht.
Vor knapp zwölf Jahren trat Wulff mit weiteren Kadern der Freien Kameradschaften in die NPD ein – ein Signal an die Szene. Wulff zog noch weitere Mitglieder aus den Kameradschaften in die Partei, organisierte mehr öffentliche Aktionen und traf eine jugendgerechte Sprache.
Mit zackigem Ton und kantigem Habitus bewegt sich Wulff schon seit den 80er-Jahren in der Szene. Er ist von der Ideologie überzeugt und kritisierte schon mal, dass die jüngeren Anhänger nur wegen des Lifestyles kämen.
Wulff wurde in Hamburg geboren, zog aber als einer der ersten West-Kader nach 1989 nach Mecklenburg-Vorpommern. Gemeinsam mit seiner Familie und Mitstreitern siedelte sich der heute 53-Jährige in Amholz an. Im dortigen Parteiverband allerdings kam er nie wirklich an. Mit der NPD-Landesspitze aus Udo Pastörs und Udo Köster hatte Wulff Konflikte. Der Grund: sein politischer Ziehvater Jürgen Rieger.
Der 2009 verstorbene Nazianwalt und NPD-Bundesvize wollte Wulff als Spitzenkandidaten bei der Landtagswahl 2006 in Mecklenburg-Vorpommern durchsetzen – ohne Erfolg. Die Fehde dauert bis heute an.
In seiner alten Heimatstadt Hamburg übernahm Wulff, der bereits wegen Volksverhetzung verurteilt wurde, stattdessen den Landesvorsitz. Weil er sich im März 2014 dazu bekannte, Nationalsozialist zu sein, wollte ihn die NPD loswerden und enthob ihn seines Amtes. Doch das Landesschiedsgericht widerrief diese Entscheidung.
Wulff wird nun eine Nähe zur rechten Konkurrenzpartei „Die Rechte“ nachgesagt. Dort warten frühere Verbündete: Mit dem Bundesvorsitzenden Christian Worch führte er in Hamburg von 1989 bis zum Verbot 1995 die „Nationale Liste“ an. Der Weggang Wulffs dürfte ein mögliches NPD-Verbot nicht gefährden. Er selbst wirft NPD-Mann Pastörs vor, genug Belastungsmaterial für ein Verbot zu „fabrizieren“. Andreas Speit
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