Der Branchenprimus fährt nur hinterher

Radrennen Der britische Star Chris Froome hatte sich für die Vuelta in Spanien viel ausgerechnet, zeigte jedoch Schwächen und liegt im Rennen derzeit zurück. Schlecht für ihn, aber gut für den Radsport

Da jubelten sie noch: Chris Froome und Team Sky bei der Vuelta Foto: ap

aus Oviedo Tom Mustroph

Dieses Mal war er mit ein wenig zu großem Optimismus nach Spanien gefahren. So groß war seine Dominanz bei der Tour de France gewesen, dass Chris Froome sich für die Vuelta in Spanien leichtes Spiel ausrechnete. In Frankreich noch spielte er Katz und Maus mit der Konkurrenz. Jetzt ist aber ist Froome die Maus – und Nairo Quintana ist die Katze, die mit ihm spielt.

„Ich habe ihn aufmerksam studiert. Er lässt sich zu Beginn eines Anstiegs immer leicht zurückfallen und stößt dann mit voller Wucht nach vorn. Dieses Mal habe ich mich nicht überraschen lassen und konnte sogar kontern“, meinte Quintana stolz nach der achten Etappe. Da nahm er Froome bereits 33 Sekunden ab, am Monsteranstieg mit bis zu 25 Prozent Steigung hoch zum Alto de la Camperona.

Auf der zehnten Etappe legte der Kolumbianer nach. Knapp eine Minute Vorsprung hatte er inmitten des insgesamt zwölf Kilometer langen Anstiegs mit einer Maximalsteigung von 17,5 Prozent schon auf den Briten. Der schien am Ende seiner Kräfte.

Er entpuppte sich dann aber immerhin noch als Powermaus. Sekunde um Sekunde kämpfte der zurückliegende Froome sich näher heran an Quintana. Konkurrent um Konkurrent fing er ein. Valverde, den aktuellen Vuelta-Zweiten. Auch Alberto Contador, der anfangs die Attacke von Quintana mitgegangen war, dann aber ermüdete.

„Man muss hier seine Anstrengungen gut kalkulieren. Das Schlimmste, was dir im Rennen passieren kann, abgesehen von einem Sturz natürlich, ist, einen Anstieg zu schnell anzugehen und dann in den roten Bereich zu kommen. Du kannst das Rad vor dir nicht mehr halten und musst abreißen lassen“, ließ er am Ruhetag einen Blick in sein Inneres zu.

Auf der achten Etappe war dem britischen Radrennfahrer genau dieser Fehler passiert. Er hatte sich überschätzt. Zwei Tage später hatte er dazugelernt. „Ich bin jetzt mein Rennen gefahren und habe eine progressive Steigerung geplant. Das hat dann ja auch geklappt“, sagte er befriedigt.

Dass er Quintana nicht einfing, wurmte ihn dennoch. „Hey, wenn es nach mir ginge, würde ich gern zehn Minuten Vorsprung haben und nicht so kämpfen müssen“, meinte er. „Zehn Minuten sind aber utopisch“, setzte er zur Sicherheit hinzu. Auch in der Position des Unterlegenen möchte er nicht missverstanden werden.

Allerdings sind dem britischen Star jetzt wieder stärker die Grenzen seines Leistungsvermögens bewusst geworden. Sie treten so deutlich hervor, dass diesmal auch die Außenwelt sie sieht. Ergebnislisten sind da gnadenlos. Knapp eine Minute liegt er hinter Quintana zurück, eine Sekunde hinter Valverde. Erklärungen dafür hat er natürlich: Die schwere Saison, die Olympiateilnahme. „Quintana hat Olympia ausgelassen und sich zu Hause vorbereitet“, warf er ein.

Und auch im mentalen Bereich sieht er Unterschiede etwa zur Tour. „Auf die Tour bereitet man sich das ganze Jahr über vor, alles ist darauf ausgerichtet, die Trainingseinheiten, die Rennen davor, die Partner, die du hast. Die Vuelta so eine Art Après-Tour“, meinte er. Da lasse die innere Spannung etwas nach.

Gewinnen will er sie dennoch. „Das ist meine Priorität Nummer 2, gleich nach der Tour. Ich mag das Rennen, ich habe hier 2011 meinen ersten großen Profisieg errungen“, meinte er. Das war in Pena Cabarga, dem heutigen Etappenziel. „Es ist kein sehr selektiver Anstieg, aber ich habe gute Erinnerungen daran“, lächelte er zum Abschluss der Pressekonferenz. Nein, geschlagen ist Froome derzeit noch nicht. Aber seine Dominatorrolle hat er erst einmal abgelegt. Gut für den Sport, selbst wenn der Brite sich nicht so ganz mit der Rolle des Hinterherfahrers anfreunden mag.