: Messingplatten lassen stolpern
Gunter Demnig erinnert bundesweit mit Messingplatten an die Opfer des Nationalsozialismus. Krefeld lehnt „Stolpersteine“ ab
VON HOLGER PAULER
Die Stadt Krefeld und die dortige jüdische Gemeinde lehnen die Verlegung von so genannten „Stolpersteinen“ zur Erinnerung an Opfer aus der NS-Zeit ab (taz berichtete). Gunter Demnig, Künstler aus Köln, sollte nach Initiative mehrerer Schulen noch in diesem Jahr mit dem Verlegen der Steine beginnen. Uta Franke, Koordinatorin und Partnerin Demnigs zeigte sich überrascht. „Mir ist nicht bekannt, dass Gunter in Krefeld aktiv werden sollte“, sagte sie. Momentan sei Gunter Demnig in Süddeutschland unterwegs, in der kommenden Woche sollen in Dortmund 16 Stolpersteine verlegt werden – an vier Stellen der Stadt.
Seit 1992 hat Gunter Demnig in bundesweit 100 Kommunen mehr als 6.000 Stolpersteine verlegt. Auf den zehn Quadratzentimeter großen Messingplatten sind die Namen, Geburtsdatum, sowie Zeitpunkt von Deportation und Ermordung der zumeist jüdischen NS-Opfer zu lesen. Die Tafeln sind vor den ehemaligen Wohnungen der Deportierten in den Boden gemeißelt. Ziegelsteine müssen dafür weichen.
Vor einem Monat bekam Demnig von Bundespräsident Horst Köhler sogar das Bundesverdienstkreuz verliehen. Für den ehemaligen APO-Künstler und Aktivisten gegen den Vietnam-Krieg eine Genugtuung. 1971 wurde er noch von der Berliner Polizei verhaftet, jetzt genießt er das Vertrauen der Staatsmacht: Er freue sich, „dass ie Stolpersteine endlich auch von staatlicher Seite die nötige Anerkennung erhalten“, sagte er zur Verleihung.
Warum stellt sich nun ausgerechnet die Stadt Krefeld, vor allem aber die jüdische Gemeinde, quer? Johann Schwarz, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Krefeld nennt drei Gründe: Erstens seien die Steine nicht gut sichtbar, sollten sie sichtbar sein, befürchte er, dass darauf herumgetrampelt werde, außerdem würden die jetzigen Bewohner unnötig mit den Verbrechen in Verbindung gebracht. Das Geld, welches bereits für die Steine gesammelt wurde, solle lieber der Jüdischen Gemeinde gespendet werden.
Ob es dazu kommt, ist allerdings unklar. Schüler der Kurt-Tucholsky-Gesamtschule Krefeld und Schüler der Gerd-Jansen-Schule für Körperbehinderte sammelten für die Steine. Ein Vortrag von Gunter Demnig im Jahre 2004 hatte die Schüler von der Aktion überzeugt. „Die letztjährige Zehner-Abschlussklasse hat das Geld für zehn Steine aufgebracht“, sagt Ulrich Schirdewahn, Fachlehrer an der Gerd-Jansen-Schule. Ein Stein kostet etwa 90 Euro, knapp 1.000 Euro kamen zusammen. Die Schüler werden darauf keinen Einfluss mehr haben. Sie haben im Sommer die Schule beendet, der Klassenlehrer wechselte nach Münster.
Das Geld wurde dem NS-Dokumentationszentrum der Stadt übergeben. Die Leiterin Ingrid Schupetta will die Mittel dann auch zweckgebunden einsetzen. So sollen Steine vor der Villa Merländer, dem Sitz des Dokumentationszentrums, verlegt werden. Der Krefelder Seidenhändler Richard Merländer musste die Villa wegen seiner jüdischen Herkunft verkaufen. 1941 wurde dort ein Hotel eingerichtet. Merländer wurde 1942 in das Lager Theresienstadt deportiert, im selben Jahre starb er.