„Senat verletzt Haushaltsrecht“

Schlagabtausch im Landtag: Die Bremer Finanzlage fällt nicht „wie Manna vom Himmel“, kritisiert die SPD-Politikerin Wiedemeyer den Handlungsunfähigkeit Senat

Bremen taz ■ Für wenige Minuten kam Bremens amtierender Bürgermeister Henning Scherf gestern in den Sitzungssaal. Der Landtag diskutierte gerade in einer „Aktuellen Stunde“ das Thema Finanzen. Der FDP-Abgeordnete Willi Wedler hatte erklärt: „Henning Scherf hinterlässt kein wohl geordnetes Haus, sondern ein haushaltspolitisches und finanzielles Chaos. Die bremische Sanierung ist gescheitert, das bremische Staatsschiff droht unter zu gehen…“ Scherf ging nicht zur Regierungsbank, sondern setzte sich zu Hinterbänklern in den Reihen des Parlaments. Und scherzte, umarmte. Und ging.

Die Szene ist sinnbildlich für die Lage: Scherf hat seine Regierungsrolle bereits aufgegeben. In der vergangenen Woche hatte der Senat keinen Konsens über den Nachtragshaushalt für das Jahr 2005 hinbekommen, in dieser Woche gab es einen Beschluss, nach dem die Ressorts irgendwie noch 20 Millionen einsparen sollen. Die SPD-Abgeordnete Cornelia Wiedemeyer kritisierte das Verfahren mit auffallender Schärfe. Sie sei davon ausgegangen, dass alle Senatsressorts nur „bedarfsgerecht“ das unabdingbar notwendige finanziert hätten, wie es die Haushaltsnotlage nach Art. 131 verlange. Wenn das so sei und wenn auch bei den Investitionen sparsam kalkuliert worden wäre, das sei es ihr doch ein Rätsel, wie jetzt gegen Ende des Jahres plötzlich zweistellige Millionensummen zu sparen sein könnten. Der Haushaltsausschuss werde genau hinschauen, wenn ihm im November die Details vorgelegt werden. Dass Finanzsenator Ulrich Nußbaum erkläre, der Senat müsse „mit ruhiger Hand“ abwägen und gut überlegen, das sei doch erstaunlich – Bremens Probleme nach dem Ende der Sanierungshilfen seien seit Monaten bekannt, „das fällt nicht wie Manna vom Himmel“.

Karoline Linnert (Grüne) hatte die Debatte beantragt, weil es bisher nicht einmal einen Zeitplan für die Haushaltsberatungen 2006/2007 gibt. Auch der Nachtragshaushalt komme, wenn er denn im Dezember beschlossen würde, viel zu spät – ein klarer Verstoß gegen das Haushaltsrecht. Dahinter stecke die Bunker-Mentalität der Ressorts: Wer sich als Erster bewegt, hat verloren. Überall würden munter Fakten bei den Ausgaben geschaffen. Es sei keine Strategie erkennbar für den Haushalt und die mittelfristige Finanzplanung.

„Wenn wir klagen, stehen wir auf dem Prüfstand“, räumte Nußbaum allgemein ein, „die werden sich in aller Schärfe den Haushaltsvollzug angucken“. Bremen müsse festlegen, welches der „Eigenbeitrag“ der Sanierung sei, was die „Untergrenze“ der Ausgaben im Vergleich mit anderen Bundesländern, bevor es seine Hilfeansprüche formuliere.

Das ist offenbar bisher nicht passiert. In der Beschreibung der Lage stimmte Nußbaum der grünen Oppositionspolitikerin zu. Bürgermeister Scherf hörte das alles schon nicht mehr, er war wieder gegangen. kawe