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Sterben, verkaufen oder weiterentwickeln

Die Kleinen 65 Prozent des Auto-Verkaufspreises gehen an die Zulieferer. Die fürchten den wachsenden Druck durch die Konzerne.

„Was Prevent da macht, halte ich für Harakiri“

Forscher Stefan Bratzel

BERLIN taz | Normalerweise gehen Konflikte zwischen Zulieferern und Autobauern in Deutschland geräuschlos vorüber. Volkswagen und Prevent allerdings zoffen sich auf großer Medienbühne – und jetzt spielt sogar noch Daimler mit: Die Stuttgarter streiten sich mit dem Zulieferer um 40 Millionen Euro – allerdings ohne, dass auch im Südwesten ganze Produktionslinien zusammenbrechen wie derzeit in Wolfsburg.

Dass es zwischen Volkswagen und Prevent, Hersteller für Getriebeteile und Sitzbezüge, zum offenen Krieg kommt, hat allerdings auch etwas Gutes, sagt Stefan Bratzel, Direktor des Center of Automotive Management der FHDW Bergisch Gladbach. „Dieser Fall ist ein Anlass, über die Kultur der Zusammenarbeit zwischen Lieferanten und Autobauern in Deutschland zu sprechen“, sagte Bratzel der taz. Er untersucht regelmäßig die komplizierten Netzwerke aus verschiedenen Firmen, die diverse Teile für Daimler, VW und BMW produzieren.

Doch in dem Verhältnis liegt einiges im Argen. Bei Bratzels jüngster Umfrage im Februar dieses Jahres sahen zwar die meisten Zulieferer die Geschäftsaussichten als gut oder sehr gut – was angesichts der starken deutschen Automobilexporte wenig überrascht. Allerdings gab auch die Hälfte der kleinen und mittelständischen Unternehmen mit weniger als 500 Mitarbeitern an, dass der „steigende Kostendruck ihre Existenz nachhaltig gefährdet.“ Ferdinand Dudenhöffer, Professor am CAR-Center Automotive Research der Universität Duisburg-Essen, drückt es noch drastischer aus: „Sie können als Mittelständler sterben, verkaufen oder sich weiterentwickeln“, sagt er. Weiterentwickeln heißt: entweder größer werden oder sich stärker auf Produktinnovationen konzentrieren. Dudenhöffer will den Autokonzernen dabei keinen Vorwurf machen: „VW braucht 65 Prozent des Verkaufspreises jedes Wagens, um Zulieferteile einzukaufen. Wenn der Konzern wettbewerbsfähig bleiben will, muss er Preisdruck ausüben“, sagt Dudenhöffer.

Seit 20 Jahren beobachtet er eine Konzentration bei immer weniger großen Zulieferbetrieben. Zu denen Prevent eben nicht zählt: Die Teile sind eigentlich leicht von anderen Herstellern zu beziehen. „Wie kann sich ein Weltkonzern so verwundbar machen? Bei jedem anderen Autohersteller setzt man auf mehrere Zulieferer bei Teillieferungen. Unverständlich, wieso der Einkauf von VW solche Fehler macht“, sagt Dudenhöffer.

Bratzels Urteil fällt anders aus. Er sagt, dass es durchaus normal sei, dass Autokonzerne bei bestimmten Teilen nur einen Zulieferer haben – in der Regel allerdings bei komplexen Bauteilen, wie Einspritzpumpen. Solche kommen etwa von Bosch, einem hoch profitablen Konzern, der durch Innovationen und einen breiten Kundenstamm zu den Gewinnern der Entwicklung zählt.

Wenn es sich jedoch um kleine Teile handelt, dann stellen Zulieferer in Verhandlungen oft schlecht da. Ob auch Prevent finanziell mit dem Rücken zur Wand steht und deshalb gegen den Kostendruck von VW rebelliert, der aufgrund des Dieselskandals auf dem Konzern lastet, darüber wollen die beiden Professoren nicht urteilen. Für Bratzel ist jedoch klar: „Was Prevent da macht, halte ich für Harakiri.“ Ingo Arzt

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