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Aleppos doppelte Belagerung

SYRIENNach dem Vorstoß der Rebellen sind auch Regierungsgebiete bedroht

Kuss für einen Befreier in Manbidsch, Provinz Aleppo Foto: Said/reuters

BERLIN taz | „Wir brauchen keine Verurteilungen, Gebete oder Fingerzeige, davon hatten wir genug.“ Der syrisch-amerikanische Arzt Zaher Shaloul war nur einer der Experten, die am Montag auf einem Treffen des UN-Sicherheitsrats über die Lage in der nordsyrischen Stadt Aleppo berichteten. Die Weltgemeinschaft müsse erkenne, dass es Menschen seien, die in Aleppo lebten, sagte Shaloul weiter. Die Diplomaten der UNO forderte er auf, sich selbst ein Bild vor Ort zu machen.

In dem von verschiedenen Rebellengruppen gehaltenen Osten der Stadt gebe es nur noch 35 Mediziner, erläuterte Shaloul, der zuletzt im Juli in Aleppo war. 15 Gesundheitszentren seien allein im vergangenen Monat bombardiert worden. Dadurch sei eine Situation entstanden, in der Menschen an behandelbaren Krankheiten sterben müssten, weil es ihnen an medizinischer Betreuung und Grundversorgungsmitteln fehle.

Zwar war es Rebellen am Wochenende gelungen, den Belagerungsring um den Osten Aleppos zu sprengen. Heftige Kämpfe und massive russische und syrische Luftangriffe verhindern jedoch weiterhin eine Versorgung der etwa 250.000 Einwohner. Nach Angaben des UN-Kinderhilfswerks Unicef gibt es seit vier Tagen kein Trinkwasser mehr – bei Temperaturen um die 40 Grad.

Vor diesem Hintergrund fordert die UNO eine humanitäre Waffenruhe oder wöchentliche 48-stündige Feuerpausen für Hilfslieferungen und Reparaturen der Infrastruktur wie etwa Strom- und Wasserleitungen. Zugleich warnt sie davor, dass nunmehr zwei Millionen Menschen eine Belagerung drohe.

Diese Zahl schließt die Menschen im Osten Aleppos mit ein, bezieht sich aber auf die Bevölkerung der Stadt insgesamt. Denn mit der Sprengung des Belagerungsrings durch die Rebellen wurde zugleich ein Teil jener Gebiete im Westen der Stadt, die von der Regierung gehalten werden, von ihrem Hinterland abgeschnitten.

Der Norden, dort, wo früher über die Castello-Straße die Versorgungsroute für die Rebellen verlief, wird zwar weiterhin von den Truppen des Regimes kontrolliert. Die Gegend unterliegt aber heftigem Artilleriebeschuss seitens der Aufständischen. Insofern scheint es hier keine stabile Verbindung zwischen den Armeestellungen nördlich und südlich der Castello-Straße zu geben.

Damit könnte auch die Versorgung der Bevölkerung in diesen Stadtvierteln bedroht sein. Sie könnten gar von der Außenwelt abgeschnitten werden.

Die ehemalige Wirtschaftsmetropole und Konkurrentin der Hauptstadt Damaskus ist seit dem Sommer 2012 eine zwischen den Rebellen und der Regierung geteilte Stadt. Die UNO erinnerte angesichts der jüngsten Entwicklung daran, dass die Belagerung von Zivilisten ein Kriegsverbrechen darstelle. B.S. (mit ap)

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