: Einfach mal machen
Pop Als Golden Diskó Ship hat sich Theresa Stroetges mit schöner Knistermusik viel positive Resonanz erspielt. Soft Grid ist ihre neue Band. Das Debütalbum kommt im Oktober, vorkosten kann man am Samstag im Schokoladen
von Jens Uthoff
Theresa Stroetges hatte ja gewarnt: Ihr kleines Klanglabor in Neukölln sei eher „messy und dunkel und unschön“. Da der Proberaum der Künstlerin sich aber in direkter Nähe des Cafés befindet, in dem wir zum Gespräch verabredet sind, will man schon noch einen Blick hineinwerfen. So steigen wir in einem Hinterhof im Reuterkiez eine Treppe hinab und betreten einen wirklich sehr kleinen, engen und düsteren Raum – der mit Verstärkerboxen, Schlagzeugen und Kram zugestellt ist.
In diesem Verlies ist die 33-jährige Multiinstrumentalistin auch mit ihrer neuesten Band zu Hause. Soft Grid heißt die Gruppe, und es ist bereits das dritte Projekt der Berliner Musikerin, die mit ihrem knisternden und klackernden Solowerk als Golden Diskó Ship bereits viel positive Resonanz erhalten hat. Soft Grid, deren Live-Auftritte schon für spontane Lobeshymnen unter Musikenthusiasten sorgten, ist ihre nächste vielversprechende Band. Im Oktober erscheint das Debüt „Corolla“; heute am Samstag kann man im Schokoladen bei einem Live-Auftritt vorkosten.
So eng der Raum auch ist, in dem das Trio seine Stücke einspielt, so uferlos und weit klingt die Musik, die hier geschaffen wird. Soft Grid bringt unterschiedliche Stile wie Kraut-, Prog- oder Noiserock zusammen, arabische Melodien blitzen genauso auf wie choraler Pop. Zeitgenössische elektronische Experimentalmusik scheint ebenfalls einige Tupfer im Soft-Grid-Kostüm hinterlassen zu haben, genau wie der roughe, knackige Gegenwartspop von Künstlerinnen wie FKA Twigs.
„An Soft Grid mag ich, dass da sehr unterschiedliche Einflüsse zusammenkommen“, sagt Stroetges, so entstehe dieser „ultraabwechslungsreiche“ Sound. Neben Stroetges spielen bei Soft Grid Jana Sotzko, die man von der LoFi-Indie-Band The Dropout Patrol kennt, und Sam Slater, ein britischer Produzent, der in Berlin lebt.
Der vielschichtige Sound, den man auf dem Debüt wird hören können, ist auch deshalb möglich, weil Soft Grid sich nichts verbieten wollen: „Beim Proben ist es ja oft so, dass einer ein kurzes Stück vorspielt, und dann sagt man: ‚zu cheesy‘, ‚zu Indie‘, ‚zu was-auch-immer‘“, erklärt Stroetges. „Genau das wollen wir nicht. Alles soll erlaubt sein.“
Die in der Nähe des niederrheinischen Viersen aufgewachsene Musikerin steht mit ihrer musikalischen Biografie selbst ganz gut für die Offenheit, die Soft Grid verkörpern. Nachdem sie im Jugendalter Bratsche gespielt hat, wurde sie später so etwas wie eine Expeditionsreisende in Sachen Sound. In Köln hat sie Musikwissenschaft mit Schwerpunkt Neue Musik studiert. Zwischenzeitlich lebte sie in Hamburg, nach Berlin kam sie 2006 – an der hiesigen Humboldt-Universität widmete sie sich den Popular Music Studies. Ihren Master machte sie wiederum vergangenes Jahr an der Universität der Künste (in Sound Studies).
Auch ins Pop-Pionierinnenland Island verschlug es sie zeitweilig auf ihrem Bildungstrip. Die Grundstimmung dort habe sie geprägt: „Es gab da einen gewissen Just-do-it-Spirit“, sagt sie, „niemand hat dort Angst, sich zum Klops zu machen.“
Theresa Stroetges über ihre Band
Als Golden Diskó Ship trat sie 2007 erstmals auf. Zwei frühen EPs folgten Veröffentlichungen auf den renommierten Labels Monika Enterprise und Klangbad. 2014 erschien das viel beachtete Album „Invisible Bonfire“. Für Anfang kommenden Jahres ist ein weiteres Golden-Diskó-Ship-Album geplant. Ihr drittes musikalisches Standbein hört auf den Namen Epiphany Now – ein Quartett, mit dem sie live improvisiert und das eine Art Klangskulptur darstellt.
Soft Grid haben vor zwei Jahren in einer ehemaligen Kinderklinik in Potsdam das Licht der Welt erblickt, in der sich heute Ateliers für Künstler befinden. Stroetges und Jana Sotzko hatten damals die Möglichkeit, dort zu jammen, zu experimentieren. Aus dieser Kollaboration entstand die EP „Stingrays“, die auf Kassette auf dem Label Twaague erschien.
Das Album „Corolla“ – wie das japanische Automodell – changiert nun zwischen gemütlicher Landschaftsfahrt und linker Spur auf der Autobahn. Der Titel bezieht sich übrigens auf ein Kanye-West-Zitat im gleichnamigen Song („I slightly scratched your Corolla/ okay I smashed your Corolla“). Mal wird das Tempo innerhalb der fünf Stücke mit Noiserock-Attacken ordentlich angezogen, ehe man mit knurpsenden Synthies und Soundschnipseln gern auch mal einen Gang runterschaltet. Dass „Corolla“ im Prinzip mit wenigen Instrumenten und Effektgeräten – Schlagzeug, Drum-Trigger, Synthesizer, iPad, Gitarre, Bass und Glockenspiel – eingespielt wurde, hört man absolut nicht, so viel passiert auf dieser 37-minütigen Fahrt. Ultraabwechslungsreich eben.
Soft Grid am Samstag, 19 Uhr, mit Milemarker im Schokoladen, Ackerstr. 169, und am 6. August beim „Jenseits von Millionen“-Festival, Friedland
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