: Chávez verweist US-Missionare des Landes
Venezuelas Präsident wirft „New Tribes Mission“ vor, strategische Informationen für den US-Geheimdienst CIA zu erkunden. Die in Florida ansässige Gruppe wird seit vielen Jahren der Spionage für US-Unternehmen verdächtigt
CARACAS ips/taz ■ Venezuelas Präsident Hugo Chávez hat die Ausweisung aller Mitarbeiter eines US-amerikanischen Missionswerks angekündigt. Als Begründung führte der Staatschef an, die seit fast 60 Jahren in den indigenen Gemeinden im Süden des Landes operierende „New Tribes Mission“ (NTM) erkundschafte wichtige strategische Informationen und nutze die Ureinwohner aus. „Wir wollen ‚New Tribes‘ hier nicht. Genug Kolonialismus!“, sagte Chávez. Die Organisation sei in „imperialistische Infiltration“ verwickelt und arbeite mit der CIA zusammen.
Während Yanomami, Ye'kuana, Panare und andere Völker Venezuelas unter schwierigen Bedingungen lebten, verfüge die christliche Religionsgemeinschaft über eigene Stromanlagen, moderne Radiostationen und gut gewartete Landepisten für Flugzeuge aus dem Ausland, die keiner Kontrolle unterlägen, so Chávez bei einem Besuch des Grenzgebiets zum Tag des indigenen Widerstands.
Seit den 70er-Jahren werfen Soziologen, Ureinwohner, Umweltschützer, katholische Kirche und sogar die Streitkräfte dem Missionswerk vor, es führe Zwangsbekehrungen durch und sondiere im Auftrag multinationaler Konzerne die Region nach Bodenschätzen. Tatsächlich werden im venezolanischen Grenzgebiet zu Brasilien und Kolumbien reiche Rohstoffvorräte vermutet.
In den 80er-Jahren hatte die inzwischen aufgelöste Bewegung für Nationale Identität, ein Zusammenschluss mehrerer Nichtregierungsorganisationen, NTM beschuldigt, als Gegenleistung für die Finanzierung des „Summer Institute of Linguistics“ (heute: SIL International) Informationen über Bodenschätze an US-Konzerne wie General Dynamics und Ford weiterzuleiten.
Nach Ansicht des Soziologen Alexander Luzardo, der vor 20 Jahren einen Bericht über die Arbeit der „Mission für unerreichte Stämme“ (NTM-Deutschland) durchgeführt hat, geht die Entscheidung von Chávez konform mit der venezolanischen Verfassung von 1999, die indigenen Völkern das Recht auf Selbstbestimmung und die Anerkennung ihres Glaubens, ihrer Werte und Gebräuche einräumt.
Laut Luzardo hatte die Gruppierung in ihrer aktivsten Zeit vor rund 20 Jahren 200 US-Missionare in Venezuela abgestellt. Die meisten konzentrierten sich auf Tama-Tama, das Herz des südlichsten venezolanischen Bundesstaates Amazonas. Heute beschäftigt die Organisation in 17 Ländern rund 3.200 Missionare. Sie wollen nach eigener Darstellung (www.ntm.org) das Evangelium unter Indigenenstämmen verbreiten.
Eine Vertreibung der Gruppe würde den Empfehlungen zahlreicher Regierungs- und Parlamentsberichte entsprechen, so Luzarno weiter. Er wirft NTM vor, die Ureinwohner gewaltsam „verwestlicht“ und ihnen ein Gefühl von Scham und Schuld eingeimpft zu haben.