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Respektlose Deutsche in Marseille

Kunst des Verlierens oder: Löw & Co. waren ungehörig

von Jan Feddersen

Nichts ehrt eine*n Sportler* so sehr wie der Vorsatz seines Gegenübers, gewinnen zu wollen. Kein Spiel macht Spaß, wenn ein*em Beteiligte*n das Ergebnis einerlei ist. Zum Sport gehört die grundsätzliche Idee – bei den Aktiven wie beim Publikum –, dass niemand am Anfang mit Garantie weiß, wie ein Wettkampf endet. Zum Sport gehört insofern der Sieg – jedoch auch die Niederlage. Ein Unterlegener gratuliert dem Siegenden erst recht dann, wenn dieser es aus einer Außenseiterposition heraus geschafft hat. Man dankt dem Gewinner dafür, einen besiegt zu haben.

Joachim Löw – und mit ihm Medien und Konsumenten – hat sich unehrenhaft verhalten. Kein Wort der Gratulation nach dem Aus gegen Frankreich. Nichts dazu, dass die Équipe verdient gewonnen hat. Verdient meint nur dies: dass eine Mannschaft ein Tor mehr geschossen hat. Der Bundestrainer greinte nach der Partie – und mit ihm so gut wie alle anderen – über vergebene Chancen und die Tragödie des Elfers unmittelbar vor dem Pausenpfiff. Im Moment der Niederlage weisen einen solche Sätze als Spielverderber aus, als beleidigte Leberwurst.

Der deutsche TÜV- und DIN-Fußball nach Reißbrettart scheiterte an der beherzteren Mannschaft: nicht mehr, nicht weniger. Die Anerkennung des siegreichen Gegners, der Respekt vor dem eigenen Versagen: Voraussetzungen für besseren Fußball, für den analytischen Gewinn aus dem schlechten Geschehen, für Zukunft schlechthin.

Für die Zukunft des DFB-Teams heißt das nichts Gutes: Wer jetzt schon keine Lust auf Finnland im September hat, signalisiert, in allen nur noch Untere zu sehen, nicht mehr Kontrahenten, denen Respekt zu zollen ist. Herrenmenschenattitüden allesamt: Löw hat offenbar seinen Hunger verloren, er will nur noch der Fußballwelt beweisen, dass sie nichts ist im Vergleich mit ihm und seinen Spielern.

Er und seine Spieler haben ihren Zenit hinter sich, der Weg zur WM 2018 in Russland wird es weisen.

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