piwik no script img

Spannung pur dank der Kleinen

Große Abwehrkämpfe und überraschende Siege

Von Richard Rother

Klar, die Fußballexperten hatten es vorher gewusst: Island habe in den vergangenen Jahren erheblich in Ausbildung und Infrastruktur investiert, mit dem Team von der kalten Insel im Nordatlantik werde zu rechnen sein. Dass es die Mannschaft, deren Fans die Fußballwelt um eine Innovation des Stadiongesangs bereichert haben („Uh!“), bis ins Viertelfinale schaffen würde, hatte niemand vorhergesagt – aber das macht nix. Island bestätigte den Trend: Es war eine EM der Kleinen.

Gleich sechs von ihnen schafften es bis ins Achtelfinale: Wales, Nordirland, Ungarn, Slowakei, Irland, Island. Das war vor allem dem Modus geschuldet: Wenn von 24 Teams 16 weiterkommen, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass es auch ein paar Underdogs schaffen. Zumal ein paar der höher eingeschätzten Teams immer versagen, diesmal: Russland, Türkei, Österreich, Schweden. Mit Wales und Island kamen diesmal sogar zwei Underdogs ins Viertelfinale – großartig.

Bei der WM in Russland übrigens wird es diese Form europäischer Vielfalt, bei der die Kleinen überraschen können, nicht geben. Auch das ist pure Mathematik: Neben Russland dürfen sich nur 13 europäische Mannschaften qualifizieren.

Dass die Kleinen bei dieser EM einen langweiligen Defensivfußball zelebrierten, ist eine oft gehörte Klage. Erstens stimmt das so nicht. Immerhin haben Albanien, Ungarn und Irland ansehnliche Spiele abgeliefert. Zweitens ist das schlicht Fußball: Wer sich schwächer wähnt, verteidigt ­konsequent und lauert auf Konter oder Standards. Das ist in allen Ligen der Fall. Warum sollte es bei einem großen internationalen Turnier anders sein?

Wenn dann der Außenseiter lange mithält wie bei Frankreich – Irland oder Slowakei – England, ergeben sich hochspannende Spiele, in denen der Favorit erst einmal beweisen muss, dass er das entscheidende Tor schießen kann. Wenn der Außenseiter sogar gewinnt wie bei England – Island, wird es auch für neutrale Fans hochemotional. Den Kleinen sei Dank.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen