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Archiv-Artikel

Klimazug bald abgefahren

KLIMA II Mit ihren neuesten Ergebnissen rufen Klimaforscher ein letztes Mal vor dem UN-Gipfel zum Handeln auf. Im Jahr 2008 wurde rund 40 Prozent mehr Kohlendioxid ausgestoßen als 1990

POTSDAM ap | Der Klimawandel vollzieht sich einem neuen Forschungsbericht zufolge noch schneller als erwartet. Ohne deutliche Verminderungen der Treibhausgas-Emissionen könnte die globale Durchschnittstemperatur bis zum Jahr 2100 um bis zu 7 Grad Celsius ansteigen, heißt es in dem Synthesebericht führender Klimaforscher.

Der Bericht, der am Dienstag in Potsdam veröffentlicht wurde, zielt auf den Weltklimagipfel und trägt den Titel „Copenhagen Diagnosis“. Wörtlich heißt es darin: „Die großen Eisschilde der Erde verlieren zunehmend an Masse; das arktische Meereis schwindet deutlich schneller als noch kürzlich projiziert, und der Meeresspiegel wird wahrscheinlich stärker ansteigen als bisher angenommen.“

In ihrem Papier fassen die 26 Forscher – die meisten von ihnen Mitautoren früherer Weltklimaberichte – neue Ergebnisse der Klimaforschung zusammen, die noch nicht im 2007 veröffentlichten vierten Weltklimabericht enthalten waren. „Dies ist der letzte wissenschaftliche Aufruf an die Unterhändler von 192 Staaten, den Klimaschutz-Zug in Kopenhagen nicht zu verpassen“, sagte der Direktor des Potsdam-Instituts für Klimaforschung, Hans-Joachim Schellnhuber. „Sie müssen die ganze Wahrheit über die globale Erwärmung und die damit verbundenen nie da gewesenen Risiken kennen.“

Unter anderem steht in dem Bericht, dass im Jahr 2008 rund 40 Prozent mehr Kohlendioxid aus fossilen Quellen freigesetzt worden seien als im Jahr 1990: „Selbst wenn die Emissionen nicht weiter zunähmen, wäre schon innerhalb von 20 Jahren das Emissionsbudget aufgebraucht, das der Welt noch zur Verfügung steht, wenn die globale Erwärmung auf höchstens 2 Grad begrenzt werden soll.“

Um das Klimasystem zu stabilisieren, müssten die Emissionen von Kohlendioxid und anderen langlebigen Treibhausgasen „noch in diesem Jahrhundert fast auf null gesenkt werden“, fordern die Forscher. „Unser Spielraum für ‚erlaubte Emissionen‘, die unsere Klimazukunft nicht zu stark gefährden, ist so gut wie ausgeschöpft“, sagte Matthew England, Direktor am Climate Change Research Centre der University of New South Wales. Innerhalb nur eines Jahrzehnts müssten die globalen Emissionen abzunehmen beginnen. Die Welt brauche deshalb dringend eine verbindliche Einigung, „die sicherstellt, dass die großen Emittenten einmütig handeln“.

Auch neue Zahlen der Weltwetterorganisation (WMO) von rund 200 Wetterstationen zeigen, dass langlebige Treibhausgase wie Kohlendioxid oder Methan im Jahr 2008 ihren höchsten Anteil in der Atmosphäre seit 1750 hatten. „Wir sehen uns dem pessimistischsten Szenario gegenüber“, sagte WMO-Generalsekretär Michel Jarraud.