Subkultur als DJ-Set

Ostpunk Die Compilation „Ende vom Lied – East German Underground Sound“ stellt den DDR-Postpunk im real existierenden Sozialismus vor und nimmt ihn zur Abwechslung auch mal als Musik ernst

Cat war in den frühen 80ern in der Ostberliner Punkszene aktiv Foto: Kerstin Mlynkec

von Andreas Hartmann

Subkultur in den Achtzigern, immer und immer wieder wird das Thema recycelt. Hier noch eben eine Ausstellung über die Genialen Dilettanten in Berlin, dort noch eine Doku im WDR über den Düsseldorfer Punkschuppen Ratinger Hof. Aber immer geht es dabei um Westdeutschland. Jetzt endlich wird auch das Thema Punk in der DDR in die Retro-Endlosschleife überführt.

Nach Ausstellung und Film „Ostpunk – Too much future“ und der Compilation „Spannung Leistung Widerstand“, die eher die Verbindungen von Punk, Kunst und Avantgarde im Blick hatte, erscheint jetzt mit „Ende vom Lied – East German Underground Sound“ das nächste Epitaph in CD-Format über die längst vergangenen wilden Zeiten vor allem in Leipzig und Ostberlin. Zusammengestellt hat den Sampler der Schriftsteller Henryck Gericke, der bereits die „Ostpunk – Too much future“-Sause mitinitiierte, sich bei seiner neuen Erinnerungsstunde aber eher an dem von Bernd Jestram und Robert Lippok von der Band Tarwater zusammengestellten Rückblick „Spannung Leistung Widerstand“ orientiert.

Artpunk und Lo-Fi-Wave

Der gleiche Zeitraum wie bei diesem Sampler – 1979 bis 1990 – wird abgedeckt, und zu einem großen Teil werden auch dieselben Bands – etwa Zwitschermaschine, Der Demokratische Konsum – präsentiert. Es geht auch bei „Ende vom Lied“ also weniger um 3-Akkorde-Punk der Marke DDR, dessen Auftauchen im Arbeiter- und Bauernstaat damals, so Gericke, „nur mit der Landung Außerirdischer zu vergleichen“ sei, sondern eher darum, was sich aus diesem über die Jahre im real existierenden Sozialismus entwickelte. Nämlich kurzlebige Artpunk-Projekte, kunstbeflissener Postpunk und bewusst dilettantischer Lo-Fi-Wave mit Anleihen an Synthie-Pop.

Das meiste davon kam nie auf regulären Platten der staatseigenen Firma Amiga heraus, die allein entschied, welche Popmusik in der DDR erscheinen durfte und welche nicht, sondern kursierte auf obskuren Tapes in eingeweihten Kreisen.

Das Anliegen der „Ende vom Lied“-Compilation scheint zu sein, den DDR-Postpunk vielleicht auch mal als Musik ernst zu nehmen und weniger als vor allem historisch interessanten Ausdruck subversiver Umtriebigkeit aufbegehrender Künstler und Musiker, die gegen einen repressiven Staat rebellierten. Gericke selbst sagt über die von ihm zusammengestellte Compilation dann auch, sie sei „wie ein DJ-Set angelegt“. Der DDR-Punk soll jetzt also nach seiner öffentlich wirksamen Wiederentdeckung vor gut zehn Jahren noch clubtauglich für das Hier und Jetzt gemacht werden.

Ob das alles so funktioniert wie intendiert, sei dahingestellt. Am Ende hört man den Sampler doch eher deswegen mit Interesse, weil man wissen will, was der längst renommierte Minimal-Musiker Frank Bretschneider in jungen Jahren mit seiner Band AG Geige in Chemnitz auf die Beine stellte. Oder um die Spuren von Leuten wie Bernd Jestram und den Lippok-Brüdern, die nach der Wende mit Bands wie To Rococo Rot und Tarwater das Berlin der Neunziger prägten und in der DDR in zig Projekten von Ornament&Verbrechen bis The Local Moon mitwirkten, bis in die letzten Winkel zu verfolgen.

Der DDR-Punk soll nach seiner Wiederentdeckung vor zehn Jahren clubtauglich für das Hier und Jetzt gemacht werden

Auch ein Wiederhören mit dem Dichter Bert Papenfuß gibt es, der damals für die Band Rosa Extra textete und der vor Kurzem nochmals vor allem deswegen durch die Medien geisterte, weil seine Künstlerkneipe Rumbalotte Opfer der Gentrifizierung in Prenzlauer Berg wurde.

Subkultur der Achtziger in der DDR – dass das am Ende vielleicht doch kein so abgeschlossenes Kapitel ist, wie man meinen könnte, belegt ausgerechnet der traurige Fall Sascha Anderson im Zusammenhang mit der Band Zwitschermaschine. Anderson war damals Teil der Ostberliner Künstler- und Musikerszene. Wie er diese damals manipulierte, konnte erst in den letzten Jahren genauer aufgearbeitet werden. Sascha Anderson war, das weiß man inzwischen, nicht nur Dichter und Szenepapst, sondern auch Stasi-IM.

Die Auftritte der mit ihm befreundeten Band Zwitschermaschine, das erfährt man in den Linernotes von Henryck Gericke, organisierte er, um sie zum Teil zugleich in seiner Rolle als Staatsspitzel wieder zu verhindern. Unter diesem Verrat leiden viele der auf „Ende vom Lied“ versammelten Künstler und Musiker bis heute.

„Ende vom Lied – East German Underground Sound 1979–1990“ (Play Loud). Die Compilation erscheint zur Eröffnung der Ausstellung im Künstlerhaus Bethanien heute Abend. Sie wird in der Ausstellung im Gropiusbau zu hören sein