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Die Kraft des Assoziativen

ZEITGENÖSSISCHE KUNST Die Städtische Galerie eröffnet gleich drei Ausstellungen: Zwei Förderpreisträger füllen ihre Räume, während im Foyer die Videokunst brilliert

Clare Langans „The Floating World“ 2013/15 Foto: Videostill: Courtesy Anita Beckers, FfM Frankfurt

von Jan Zier

Das Beste kommt am Anfang. Im düsteren Zwischenraum, der in die Städtische Galerie hineinführt. Es ist die Videoarbeit „The Floating World“ von Clare Langan, die – und das ist auch wirklich ihr einziger Makel, wenn man so will – vor Kurzem auch schon in der Städtischen Galerie in Delmenhorst zu sehen war.

„The Floating World“ zeigt zunächst vor allem gewaltige, eher fotografische Naturpanoramen in Schwarz-Weiß- und Sepia-Tönen. Sie werden zusehends von dystopischen Bildern überlagert, Ruinen menschlicher Zivilisation, Aufnahmen von leeren, verlassenen Bauten inmitten irgendwelcher Wüsten und Weiten. Jedes dieser Standbilder könnte für sich stehen, auch als Werk. Zugleich entwickeln sie, als Film, eine assoziative Kraft, die keine Geschichte erzählt und doch eine starke erzählerische Wucht entfaltet. Unterlegt ist das Ganze mit atmosphärischer Instrumentalmusik, die das Apokalyptische dieser Bilder zum Tragen bringt – ohne sich dem Betrachter zu sehr aufzudrängen.

Menschen kommen in dieser Welt nicht mehr vor. Vielleicht haben sie sich selbst eliminiert, vielleicht sind sie einer Katastrophe zum Opfer gefallen, vielleicht kommen sie wieder, wir wissen es nicht. Das Schöne und das Tragische liegen hier nahe beieinander, aber das wiederum ist typisch für die Werke der irischen, 1967 geborenen Künstlerin Clare Langan. Immer wieder befasst sie sich mit Veränderungsprozessen, in Landschaften, in Metropolen, aber auch in Beziehungen.

In Bremen ist die 2015 entstandene Arbeit nun als Folge 19 der Videokunstreihe „screen spirit_continued“ zu sehen, die von der Künstlerin Marikke Heinz-Hoek kuratiert wird. Okay, zumindest einen Teil von „The Floating World“ kann man sich auch im Internet angucken, aber es ist hier wie auch sonst mit dem Kino: Auf der großen Leinwand ist das Erlebnis ungleich eindrucksvoller.

In jeder Hinsicht und auch an diesem Ort ganz neu sind die beiden Einzelausstellungen, die die Städtische Galerie ebenfalls heute eröffnet: „Souterrain“ von Esther Buttersack und „Untertöne“ von Tobias Venditti. Beide haben mal den Bremer Förderpreises für bildende Kunst bekommen, sie 2012, er 2014. Beide haben dafür 5.500 Euro, einen Katalog – und eben diese Ausstellung bekommen.

Sie sind zwar einerseits völlig unabhängig voneinander, korrespondieren andererseits aber trotzdem miteinander. Und beide versuchen sie, sich auf genau diesen Ausstellungsort einzulassen. Bei KuratorInnen ist sowas ja immer gern gesehen, schon wegen des Charmes des Exklusiven.

Wobei: Esther Buttersacks Hauptwerk in dieser Ausstellung würde sicher auch in anderen Räumen dieser Größe funktionieren. Die Chance dazu gibt es aber trotzdem nicht: Heile raus aus dem ersten Stock der Städtischen Galerie kommt die fragile Konstruktion trotz ihrer Rollen nicht mehr. Das Werk besteht aus einer amorphen Masse aus grauem Papier und Kaninchendraht, die Assoziationen an allerlei Körper, aber auch an geologische Strukturen weckt. Und doch verbleibt sie am Ende in einer gewissen, nichtssagenden Beliebigkeit. Es „entwickelt sich (…) eine Körperlichkeit, die (…) BetrachterInnen in eine individuelle Beziehung zu dem Objekt bringt, die auf der eigenen Körperlichkeit und Einordnung beruht“, schreibt der Kurator dazu. Nur damit Sie das auch noch wissen.

Vielleicht haben die Menschen sich selbst eliminiert, vielleicht sind sie einer Katastrophe zum Opfer gefallen

Ergänzt wird das Ganze durch kleinformatige, ebenfalls stark assoziative und doch viel präg­nantere Collagen, die mit aus Zeitungen ausgeschnittenen Körperteilen spielen. Sie erinnern daran, dass Buttersack bisher eher durch kleinformatigere Arbeiten aufgefallen ist. „Grundsätzlich finde ich kleine Räume viel interessanter“, sagt Buttersack. Das merkt man irgendwie.

Dieses Pfeifen, das auch im „Souterrain“ stets zu hören ist, im Hintergrund jedenfalls, das sind die „Untertöne“ von Tobias Venditti. Sie kommen aus drei komplexeren, jeweils ähnlich konzipierten, irgendwie beeindruckenden kinetischen Installationen. Sie werden mit Motoren betrieben, funktionieren aber im Grunde wie eine Luftpumpe. An ihrem Ende ist je ein kleines Kupferrohr aus dem Baumarkt angebracht, aus dem die Töne kommen, die im Raum einen, wenn auch nicht ganz harmonischen Dreiklang bilden. „Ich bin kein Musiker“, sagt Venditti dann – und auch das merkt man irgendwie. Ihn „triggert“ vor allem „das Zusammenkommen von Ansichten und Meinungen“, sagt er, und „das allmähliche Verfassen des Gedankens beim Reden“.

Zwischen den ebenso liebevoll ausgearbeiteten wie großformatigen Wandobjekten teilen zwei temporäre bildschirmartige Einbauten den Raum. Ihre Oberfläche besteht aus grauem Gazestoff, der gleichförmig monochromes erwarten lässt, aber eben doch ewig flimmert. Es sind zwei Bildschirme, die sich gegenüberstehen, aber umso anstrengender werden, je länger man sie anschaut.

„Der Künstler bringt in Relation zum Publikum den Raum selbst zum Schwingen“, schreibt der Kurator Ingmar Lähnemann dazu. Das stimmt. Aber es ist halt mehr so ein latent unangenehmes, leicht verstörendes Schwingen. Das wäre schon okay, vielleicht sogar wünschenswert, es ist schließlich Kunst. Und die soll ja nicht bloß Dekoration sein. Bei Venditti ist sie zwar imposant, doch leider auch ein wenig banal.

Eröffnung: Samstag, 16. Juli, 19 Uhr. Die Ausstellungen sind bis zum 28. August in der Städtische Galerie Bremen zu sehen

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