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Was ist das für 1 Presse?

MEDIEN Kampagnen, Selbstzensur, Voyeurismus. Alles Lügenpresse oder noch vertretbar? Ein Pro & Contra

Von Paul Donnerbauer, Danny Hollek und Evdokia Prassa

1. Abschreiben verboten

Agenturmeldungen und Presseaussendungen der Polizei dominieren heute vor allem Regionalzeitungen. Eigene Recherchen sind die Ausnahme. Fluch oder Segen?

Presseagenturen sind vertrauenswürdig. Wenn es für Redakteur*innen nicht möglich ist, von vor Ort zu berichten, dienen sie als Primärquelle. Etwa im Syrienkonflikt. Auch aufwendigere Recherchen im Inland sind für kleine Redaktionen oft kaum zu tragen. Vielfältige Medieninhalte sind nur mit Agenturen möglich.

Agenturmeldungen und Polizeiberichte werden oft direkt übernommen. Vielfalt geht dadurch ebenso verloren wie kritischer Journalismus. 2013 berichtete etwa die Hamburger Polizei von einem Angriff auf die Davidwache. Später stellte sich heraus, dass der Vorfall erfunden war. Trotzdem bekam die Polizei mehr Kompetenzen und Geld.

2. Ein Köder zum Klicken

Clickbaits sind Onlineüberschriften, die Voyeurismus wecken und die Fantasie zum Klicken reizen. Journalist*innen geben endlich zu: Dies sind die Pros und Cons zu Clickbaiting, die dich wirklich überraschen werden!

Clickbaiting ist die logische Konsequenz journalistischer Konkurrenz. Und es funktioniert. Es wirkt als Blickfang und kann für Artikel begeistern. Das ist gut. Clickbaiting ist außerdem nichts Neues: Der lautstark Schlagzeilen anpreisende Zeitungsjunge ist im Netz wiederauferstanden.

Clickbaiting ist miese Aufmerksamkeitshascherei. Es verspricht etwas, was es nicht halten kann. Oft wird redaktioneller Inhalt bewusst mit Werbung vermischt. Wer Clickbaiting betreibt, produziert Boulevard auf tiefsten Niveau.3.The Queen was not amused

In Großbritannien gab es zum Brexit teils radikalen Kampagnenjournalismus. Überschreiten Journalist*innen damit ihre Kompetenz oder liegt das noch im Rahmen?

Pressefreiheit bedeutet auch, dass Medien ihre eigene Meinung haben und diese aktiv vertreten. Besonders Meinungsartikel regen zu konstruktiven Diskussionen an. Die Daily Mailetwa brachte kurz vor der Brexit-Abstimmung fast nur Pro-Brexit-Artikel online. Alles im Rahmen der Pressefreiheit.

Pressefreiheit bedeutet nicht, dass eine Medienkampagne zum Manipulationswerkzeug werden darf. Die Sunübertrieb es, als sie die Queen ins Brexit-Lager hineinfantasierte. Lügen und Kampagnenjournalismus entstehen oft in ein und derselben Straße.4. Störungsfrei durch die EM

Die Uefa zeigt keine TV-Bilder von Krawallen und Schlägereien im Stadion. ARD und ZDF sind verärgert. Keine Bühne für Idiot*innen oder schon Zensur?

Die Fans sollten dankbar sein. Die EM ist ein verbindendes Sportevent. Ein Ereignis, das auch für die Kleinen groß ist. Wer das zerstören will, darf nicht auch noch eine Bühne bekommen. Es geht um Fußball, nicht um primitives Machogehabe.

Die Uefa verfälscht die Realität. Nicht nur bei randalierenden Hooligans, sondern auch bei leeren Rängen. Das ist bewusste Zensur, die manipuliert. Die Fans wollen eine schöne, friedliche EM. Wenn sie das aber nicht ist, wollen sie das auch wissen.

5. In Heidenau rechts abbiegen

Viele Medien nutzen Euphemismen statt Reizwörter.

Verschleierungstaktik oder angebrachte Vorsicht?

Nicht jeder ist ein Neonazi, der sich im rechten Spektrum bewegt. Asylkritiker*innen sind nicht unbedingt Rassist*innen. Negativ besetzte Begriffe beleidigen, lassen keinen Raum für Dialog.Wer den Hitlergruß zeigt, ist kein „Rechtsaktivist“, sondern ein Neonazi. Wer ihn nicht so benennt, fürchtet die Konfrontation. Nach der Krawallnacht von Heidenau bezeichnete die dpa die Randalierer als „vermutliche Rechte“. Absurder geht es kaum.

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