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Mich interessieren weder Wiesenhof noch Atze Schröder oder Gina-Lisa, mich interessiert, wie jetzt damit umgegangen wirdWo der Spaß aufhört

Foto: Lou Probsthayn

Fremd und befremdlich

KATRIN SEDDIG

Wiesenhof ist eines der größten niedersächsischen Unternehmen, das nichts produziert, was mich interessiert, das mir aber bekannt geworden ist wegen ihrer Unternehmenspolitik, ihrer Arbeitsbedingungen, ihrer Tierschutzverletzungen, ihrer Umweltpolitik, des Verdachtes auf Subventionsbetrug und jetzt eines Werbespots. Atze Schröder ist ein Komiker, der auch nichts produziert, was mich interessiert, der mir aber bekannt geworden ist, weil er manchmal im Fernsehen auftaucht, während des Zappens. Und Gina-Lisa Lohfink ist ein Model, das mich nicht interessiert hat, bis jetzt.

Atze Schröder hat vor circa einem Jahr in einem Werbespot für Wiesenhof von ein paar dicken Würsten gesprochen, die eine Gina und eine Lisa in die Traumatherapie treiben würden. Das regt jetzt eine Menge Leute auf, das zieht richtig Kreise, zu Recht. Atze Schröder hat sich, überzeugend, wie ich finde, entschuldigt. Eine Entschuldigung macht nichts wieder gut, aber eine Entschuldigung ist das Mindeste, nach so einem Ausfall.

Wiesenhof bedauert das Ganze jetzt auch, aber was bleibt ihnen übrig? Von Anfang an das Richtige tun, nach den Regeln des Anstands? Mich persönlich interessieren weder Wiesenhof noch Atze Schröder oder Gina-Lisa, mich interessiert, wie jetzt damit umgegangen wird. Denn es geht den meisten Leuten gar nicht darum, was hier passiert ist, es geht den meisten Leuten nur darum, wer sie selbst sind, was sie selbst gerne sein wollen und von daher kommt ihr Urteil.

Zum Beispiel essen Leute gerne Fleisch und haben sie sich dafür entschieden, auch noch billiges Fleisch zu essen, womöglich von Wiesenhof, dann finden sie, dass die Firma Wiesenhof durchaus das Recht hat, billige, sexistische Werbespots zu drehen.

Mögen die Leute Atze Schröder und sind sie selbst sexistische KackscheißerInnen, dann finden sie den Werbespot super.

Ich würde sogar noch weiter gehen und behaupten, das sind ungefähr dieselben, die insgeheim Pornos ansehen, in denen es Gina-Lisas mit irgendwem treiben. Solche Leute verachten Gina-Lisas, weil sie sie brauchen. Sie brauchen sie, weil sie sich besser fühlen wollen, über ihnen stehend. Das können sie aber nur, wenn eine Gina-Lisa das bleibt, was sie für sie sein soll, willenlos und rechtslos. Jemand, den man benutzen kann. Ein Einkauf. Ein Gegenstand. Jemand, auf dem man rumtrampeln kann.

Von daher kommt auch die Empörung über ihre Vergewaltigungsanschuldigungen. Eine Frau wie Gina-Lisa soll das bleiben, als was sie sich inszeniert hat, sie soll nicht für etwas stehen, sie soll die Inszenierung in Person sein. Selbst schuld, sagt der/die SexistenkackscheißerIn.

Und dann die Leute, die sich aus dem Grund auf die Seite von Gina-Lisa stellen, weil sie Atze Schröder und das Fleischessen und Wiesenhof sowieso verabscheuen und/oder sich für die Rechte der Frauen einsetzen. Sie alle argumentieren aus ihrem eigenen Leben heraus, weil sie etwas sind oder sein wollen. Ich möchte das nicht. Ich möchte Gina-Lisa eine unerträgliche Person finden können, Atze Schröder einen unerträglichen Komiker und Wiesenhof eine Firma, von der niemand auch nur einen Knochen kaufen sollte, aber das spielt alles keine Rolle für das, was richtig und was nicht richtig ist. Nicht dafür, dass ein Satz, der lautet „Danach müssen Gina und Lisa erst mal in die Traumatherapie“, nicht in einem Werbespot vorkommen darf. Denn man kann es drehen, wie man will, es erzählt auf spaßige Art davon, wie ein Mann eine Frau in ein Trauma bumst.

Egal, wie man zu allem steht und welchen Humor man hat, das ist falsch. Das darf man nicht sagen. Das muss man einfach wissen, wenn man Anstand hat, Empathie, Bildung, wenn man Werte hat, wo da doch im Moment so viel die Rede von ist.

Katrin Seddig ist Schriftstellerin in Hamburg mit einem besonderen Interesse am Fremden im Eigenen. Ihr jüngster Roman „Eine Nacht und alles“ ist bei Rowohlt Berlin erschienen.

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