Training vor der Euro16: Dumm gelaufen

Antonio Rüdiger verletzt sich beim Probetraining: Kreuzbandriss. Die taz war mit im Stadion – und brauchte daraufhin erstmal einen Pastis.

Nationalspieler versammeln sich um den verletzten Antonia Rüdiger, der sich auf dem Rasen vor Schmerzen krümmt.

Für Rüdiger war’s das mit der EM Foto: dpa

EVIAN taz | Marc Francina strahlt wie ein Honigkuchenpferd. Dann zupft der kleine und korpulente Bürgermeister der knapp 8.000 Einwohner von Evian nochmal an seiner Amtsschärpe in den Farben der Trikolore. „Ich bin sehr zufrieden, dass La Mannschaft meine Gemeinde als Trainingsstandort ausgewählt hat, bonne chance!“ Seit über 20 Jahren waltet der 68-jährige seines Amtes und jetzt steht er mit dem Mikro auf dem extra für das Team neu angelegten sehr grünen Rasen im Stadion des „Evian Thonon Gaillard Football Club“. Das hat immerhin fast 2.000 Sitzplätze und sogar eine Flutlichtanlage, die zur Feier des Tages und für die Kameras am helllichten Frühabend eingeschaltet ist.

Blick über den Genfer See ist auch inklusive, allerdings nur auf den Rängen, nicht für die Mannschaft. Dreiviertel der Karten sind an die Jugend aus Evian vergeben und die johlt nach Kräften, ausgestattet mit Beflaggung des von Coca Cola gesponserten Fanclubs der Nationalmannschaft.

Die siebenjährige Celine hat darüberhinaus ihre weiße Plüschkatze als Maskottchen mit ins Stadion genommen – nein, sagt sie, es habe keine Probleme mit der Security am Einlass gegeben und Deutschland sei schon eine tolle Mannschaft – aber „je suis pour la France“, ich bin für Frankreich. Reinhard Grindel, der neue Präsident des DFB, bekommt derweil einen voluminösen Strauß Tulpen in Schwarzrotgelb überreicht. „Tolle Gemeinde, tolles Hotel, tolles Stadion!“, hatte er kurz zuvor schlüssig zu Protokoll gegeben, aber jetzt müsse man erstmal das Spiel gegen die Ukraine gewinnen, „ich denke da ganz kurzfristig.“

Auf geht’s also, Lukas Podolski kann immer noch nicht dabei sein, weil er gerade in Deutschland zum zweiten Mal Vater geworden ist, und beim Warmlaufen auf dem Platz ist Thomas Müller fast der einzige, der mal eben feixend die Hand zum Gruß hebt. Die anderen drehen eher ferngesteuert ihre Runden, wirken meist angespannt, aber vielleicht ist das ja auch noch der EM-Jetlag, die Elf war er erst kurz zuvor in Chambéry gelandet.

Liegestütz und Topfhaarschnitt

Bevor es um 19.17 Uhr zu dem fatalen Zweikampf beim Miniprobespiel zwischen Müller und Rüdiger kommt, letzterer wird auf dem Rasen medizinisch behandelt, bevor er humpelnd und gestützt vom Platz geht, vor diesem ganzen Drama, ist erstmal Fitness angesagt, was lustig zu beobachten ist, weil so nah. Nahe am Eckballpfosten gibt Yann-Benjamin Kugel Thera-Bänder aus – Liegestütz, das ganze Programm und die Sonne sticht. „Die machen das ja gar nicht synchron“, kritisiert eine Frau mit extravagantem Federhütchen in den beiden teilnehmenden Landesfarben.

Stimmt – und außerdem macht Leroy Sané gerade nur mit halbem Einsatz mit und schielt dazu auch noch, was die anderen so treiben. Das würde Mario Götze nicht passieren, irgendwie wirkt er immer so, als wenn er alles richtig machen und Klassenbester sein möchte. Manuel Neuer steht derweil am Tor und riecht an seinem Trikot – lange Trainingshosen im Sommer sind niemandem zu wünschen.

Jogi Löw dagegen trägt heute kurz und wieder fällt einem ein, dass sein schwarzgelackter Topfhaarschnitt einzigartig ist und man ihn darob auch aus der Vogelperspektive sofort erkennen würde. Auf den Rängen ist immer noch „la fête“ angesagt und es gibt Erinnerungsbecher aus Plastik für das Probespiel und zum Zuprosten.

Pastis auf der Luxusterrasse

Und dann drängen plötzlich, bonjour la securité, ganz viele Kinder ganz nach vorne, weil der Moderator des Trainings, Uli Voigt vom DFB und in passablem Französisch, ankündigt, dass die Spieler jetzt „ballons“ in die Menge werfen, kleine und große und nur Manuel Neuer macht das sichtlich Spaß, er kaspert ein bisschen rum und später kritzelt er auch noch Autogramme wie ein paar andere auch, aber mit einem Lächeln im Gesicht.

Nach 75 Minuten ist das Schautraining vorbei, deutsche Fans waren fast keine im Stadion, und am Ausgang treffen wir noch mal Monsieur le Maire, den Bürgermeister. „Fragen Sie mich nicht, wer der beste deutsche Spieler ist. Ich habe keine Ahnung.“ Seine Devise? „No sport, no foot.“ Darauf einen Pastis auf Eis und den trinken wir wenig später auf der weitläufigen Terrasse der unweit gelegenen Luxusbehausung „Hotel Royal“, wo man trotz vermeintlicher Hochsicherheit dann doch einfach hineinspazieren kann, beobachet von sichtbaren und unsichtbaren Überwachungskameras.

Reinhard Grindel, der DFB-Präsident, ist auch wieder da, er sitzt ein paar Tische weiter und ruft unüberhörbar in sein Mobiltelefon, dass er sehr zufrieden mit seiner Suite hier im Hause sei, „nicht so groß wie beim Pokalfinale, aber völlig in Ordnung.“ Und genießen könne man zur Zeit gar nicht wegen des Kreuzbandrisses von Antonio Rüdiger. „Der arme Kerl“, sagt Grindel und da kommt auch schon der Pastis.

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