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Archiv-Artikel

belfast ist das pjöngjang irlands von RALF SOTSCHECK

Die Koreaner sind die Iren Asiens. Das behauptete der nordkoreanische Botschafter in London neulich. Sind die Koreaner rothaarig, haben Sommersprossen und verfassen, sofern sie nicht gerade völlig betrunken sind, Werke der Weltliteratur, während es draußen in Strömen regnet?

Man weiß ja recht wenig über die Koreaner. Oder meinte der Botschafter, dass Korea wie Irland geteilt ist, dass Religion in beiden Ländern eine wichtige Rolle spielt, auch wenn es in Korea nicht gerade der Katholizismus ist, und dass beide im Osten eine verhasste Kolonialmacht haben, die oft und gern das Land verwüstet hat?

Nein, der Botschafter dachte an etwas anderes. Er hatte die wirtschaftliche Entwicklung im Kopf, als er seinen Vergleich zog. Irland hat sich im Laufe der vergangenen 15 Jahre vom Armenhaus Europas zum „keltischen Tiger“ entwickelt, und der nordkoreanische Botschafter war mit einer vierköpfigen Delegation aus London angereist, um sich das Wirtschaftswunder erklären zu lassen. Man müsse ausländische Investoren anlocken und das Bildungssystem verbessern, erklärten die Experten vom Dubliner Wirtschaftsinstitut, und die Nordkoreaner haben angeblich aufmerksam zugehört.

Aber nicht aufmerksam genug. Kurz nach der Irlandreise der Delegation begann die nordkoreanische Regierung, Geflügel nach Südkorea zu exportieren, während das Volk hungert. Das hat es in Irland vor anderthalb Jahrhunderten auch gegeben, als trotz Kartoffelpest Fleisch und Getreide nach England ausgeführt wurden. Eine Million Iren verhungerte, eine weitere Million wanderte aus. Aber im Unterschied zu Nordkorea haben die Iren die Lebensmittel nicht freiwillig herausgerückt, sondern sie wurden von der Kolonialmacht entwendet.

Der nordkoreanische Botschafter ist nicht der Einzige, der die beiden Länder vergleicht. Gregory Henderson, US-Kulturattaché in Korea von 1948 bis 1950, meint, dass die Iren die Koreaner Europas sind. „Ein ruhiger, vertraulicher Ton folgt Ausbrüchen von Emotionen und Diskursen, um dann abzuebben und wieder anzusteigen“, schreibt er. „Dieser Rhythmus ist für die Koreaner dasselbe, was für die Iren der Singsang beim Sprechen ist. Beide brechen nach einer Debatte unweigerlich in Gesang aus. Das ist Teil der Poesie beider Länder.“

Die US-Amerikaner kennen sich eben aus in der Welt – vor allem wenn es um Kriege geht. Im vergangenen Sommer hat der US-Botschafter in Irland, James Kenny, gemeinsam mit dem südkoreanischen Botschafter Jong Rak Kwon ein Denkmal enthüllt. Der steinerne Bogen in Lixnaw im tiefen Südwesten der Grünen Insel soll an den Koreakrieg erinnern. Ein Denkmal für den Koreakrieg in Irland? Warum nicht. 29 irischstämmige US-Soldaten, fünf irische Priester und eine irische Nonne starben zwischen 1950 und 1953 in Korea. Seitdem gab es in Lixnaw, dem Geburtsort eines der Soldaten, eine Kampagne für das Monument. „Diese Soldaten waren Vorbilder für uns“, sagte Kenny, „und wir sollten ihrem Beispiel folgen, wo wir können.“ Und uns in Korea abschlachten lassen, nachdem wir mit den Einheimischen im Singsang debattiert haben und in ein gemeinsames Lied ausgebrochen sind.