KUNST

KunstNoemi Molitorschaut sich in Berlins Galerien um

Schwindelig machen die Schwarz-Weiß-Kontraste der Serie „Protagonisten“ (2015) von Melanie Bisping.Um ihre optischen Täuschung entfalten zu können, müssen die Muster, und seien sie noch so feingliedrig wie auf diesen Siebdrucken, in perfekter Symmetrie verlaufen. Die Gruppenausstellung „form follows function“ im Hilbert­Raum ist der „Desintegration der Funktionalität im Kunstwerk“ gewidmet. Die drei C-Prints „All Fuck“ (2016) von Phillip Höning tun dies über den Bildinhalt und die Hängung zugleich. In der obersten Raumecke Astronauten, die allerdings von einer ganzen Schar Zigarettenkippen überlagert sind – der kleinste Funken, und die Sauerstoff erfüllte Umgebung würde in die Luft gehen. Knapp über der Fußleiste zusammengedrängt, zwei weitere Drucke. Unter der Abbildung eines alten Computers liegt als weitere Arbeit ein Tonpacken auf dem Boden. „Rollen drunter gemacht“ lautet die funktionalistische Titelgebung für dieses Gebilde, das wie ein armseliger Käfer in Rückenlage seine Rollenbeinchen in die Luft streckt und sich ob der Schwere des Material (function follows form?) allein nicht mehr von der Stelle wird hieven können. Unwirklich aus der Zeit gefallen wirkt auch die wiederum mit Zigarettenstummeln übersäte Plaza einer undefinierten, grauen Stadt: Ein amorphes, fast schwertartiges Dreieck streckt sich aus dem Bildraum in den Weißraum des Drucks und erinnert an den T-1000 aus „Terminator II“, der jede erdenkliche Stichwaffe aus seinem Flüssigmetallkörper formen konnte. Das Booklet „Authentiticitity“ aus der Serie „Die Ergonomie der 90er“ amüsiert dagegen, sind doch die Sprüche auf den teuren Camp David Pullis, die hier ausbuchstabiert werden, absurd selbstüberschätzend (Adrenaline Rush, Freefall, Touch Down). Ein ganz eigenes „Uncanny Valley“ entfaltet sich hier, wie es der T-1000 längst hinter sich gelassen hatte. Fehlt nur noch das Aftershave – oder aber der Rasierschaum. Den hat Sophia Pompéry zu einer aufgeblasenen, sich langsam verflüssigenden Schaumwolke auf einer Spiegelfläche drapiert (noch bis 19. 6., Fr. 18–22 Uhr, Sa. + So. 14–19 Uhr, Reuterstr. 31).

Ich gehe demnächst jedenfalls erst mal dezent parfümiert in die Fata Morgana Galerie Schlagzeug spielen. Dort hat das Glowing-Bulbs-Kollektiv eine partizipative „Noisebox“ aufgebaut: Im Ausstellungsraum steht ein E-Schlagzeug, dessen Sound Videoprojektionen auslöst. Den visuellen Effekten der Vorschau nach zu urteilen – einer Mischung aus geometrischen Illusionen und Post-Internet-Kunst – könnte das auch Bisping und Höning gefallen (Eröffnung am 18. 6. um 21 Uhr mit der Jazzband Jü; bis 25. 6., Mo.–So. 17–23 Uhr, Torstr. 170).