: Herbst der alten Helden
Stabwechsel Während die müden Altstars Roger Federer und Rafael Nadal ihre Verletzungen auskurieren, macht sich eine neue Generation von Spielern daran, sich an die Weltspitze heranzupirschen. Einer von ihnen ist der Österreicher Dominic Thiem
Es waren Bilder mit Symbolgehalt, genauso wie jene, die 48 Stunden später um die Welt gingen. Sie zeigten einen zu Tode betrübten Rafael Nadal, der in Paris seinen vorzeitigen Rückzug aus dem Turnier wegen einer Handgelenksverletzung erklärte. Federer und Nadal, beide nicht fähig, ein Turnier zu spielen oder es zu beenden – viel deutet auch auf einen Zeitenwechsel an der Spitze des Welttennis hin.
Umso mehr, da einer aus der nächsten Tennisgeneration womöglich zum großen Profiteur der Nadal-Misere werden könnte. Der 22-jährige Österreicher Dominic Thiem, der nach seinem 4-Satz-Sieg über Alexander Zverev im Achtelfinale nun eben nicht auf den neunmaligen Paris-Triumphator Nadal, sondern auf dessen Landsmann Marcel Granollers trifft. Nicht wenige Beobachter halten den energischen Österreicher neben Stan Wawrinka oder Andy Murray für den dritten möglichen Hauptwidersacher für Novak Djokovic bei dessen Versuch, den letzten noch fehlenden Major-Titel zu gewinnen.
„Er hätte auch einem Nadal allergrößte Schwierigkeiten gemacht. Thiem, Zverev, auch der Kroate Borna Coric oder der Australier Nick Kyrgios, sie sind alle stark im Kommen“, sagt Patrick McEnroe, der einstige Dominator im Doppel, der jetzt als Experte für ESPN unterwegs ist.
Der Frühling des Jahres 2016 erinnert an den Beginn des Jahrhunderts. Damals kündigten sich Spieler wie Federer, Lleyton Hewitt, Andy Roddick und auch der heißblütige Russe Marat Safin als Versprechen für die Zukunft an. Gleichzeitig war der Ruhestand für verdiente Profis wie Pete Sampras oder Jewgeni Kafelnikow nahe.
Heute fragt man sich, ob Nadal noch einmal zu alter Größe aufsteigen kann. In den letzten zwei, drei Jahren zermürbten immer neue Verletzungen den einst so unwiderstehlichen Fighter. Nadals Auftritt und Aussagen ließen jetzt eher auf eine neuerlich längere Auszeit als bloß ein kurzzeitiges Fehlen schließen – Wimbledon, vielleicht auch Rio könnten ohne ihn stattfinden.
Federer hatte sich in den nuller Jahren schnell zur Nummer 1 hinaufgespielt, der erste Grand-Slam-Sieg 2003 in Wimbledon wirkte wie ein Karrierebeschleuniger, wie eine Initialzündung für majestätische Großtaten. Erst herrschte er machtvoll ganz alleine, dann musste er sich seine Regentschaft in einem faszinierenden Wechselspiel mit Nadal teilen. Es war die bestimmende Rivalität über viele Jahre und Spielzeiten. Doch nun, 2016, hat es den von Verletzungen fast komplett verschont gebliebenen Maestro auch zum ersten Mal erwischt – hartnäckiger denn je zuvor. Seit der Meniskusverletzung und -operation nach den Australian Open, einem unglücklichen Unfall bei der Betreuung seiner Zwillingstöchter geschuldet, ist die Federer-Maschinerie ins Stocken geraten. Erst vier Turniere spielte der 34-Jährige in der laufenden Tourserie, zwei nur nach Melbourne.
Bei ihm, genau wie beim fünf Jahre jüngeren Nadal, stellt sich die Frage: Ist noch ein großer Titel drin, in der Ära des unbarmherzigen Dominators Djokovic, in Zeiten, da die nächste Generation aufmuckt gegen das alte Establishment. Jörg Allmeroth
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