: Ein vernachlässigtes Hilfsinstrument, neu entdeckt
UNO Der nach dem Tsunami von 2004 gegründete UN-Nothilfefonds fristet bisher ein Schattendasein. Er steht nun Modell für bessere Koordination
Den Cerf hatte die UN-Generalversammlung Ende 2005 in Reaktion auf den Hilfswirrwarr nach der Tsunami-Katastrophe ein Jahr zuvor ins Leben gerufen. In den ersten zehn Jahren seines Bestehens hat er nach eigenen Angaben 4,1 Milliarden US-Dollar in 94 Ländern ausgegeben. Gemessen am gesamten Hilfsbedarf der UNO – im laufenden Jahr über 20 Milliarden Dollar – ist das ein Tropfen auf dem heißen Stein: Nur 2 Prozent der gesamten humanitären Hilfe der UNO im Jahr 2014 kamen aus dem Zentralen Hilfsfonds.
Eine Verdoppelung des Fonds ändert daran kurzfristig wenig, kann aber Reformen befördern, über die in Istanbul Konsens besteht: mehr Vernetzung, mehr Flexibilität und mehr Verzahnung zwischen den Erfordernissen der Nothilfe, den Selbstverpflichtungen der globalen Entwicklungspolitik und den Zielen der globalen Klimapolitik.
Mit Abstand größter Einzahler des Cerf bisher ist Großbritannien mit 855 Millionen Dollar seit seiner Gründung, gefolgt von Schweden, Norwegen und den Niederlanden. Deutschland steht an siebter Stelle der Geber, zwischen Spanien und Irland. Größter Empfänger von Cerf-Geldern mit über 1,3 Milliarden Dollar in zehn Jahren ist das UN-Welternährungsprogramm WFP gewesen. Vier Dauerkrisengebiete stehen an der Spitze der Länder, in denen Cerf-Gelder zum Einsatz kommen: Sudan (280 Millionen US-Dollar in zehn Jahren), die Demokratische Republik Kongo (260 Millionen), Äthiopien (230 Millionen) und Somalia (225 Millionen). Die allerneueste Cerf-Zusage von diesem Dienstag beläuft sich auf 541.991 US-Dollar für die Weltgesundheitsorganisation in Ecuador – Hilfe nach dem Erdbeben.
Es gibt auch politisch heikle Ansätze. So werden neun UN-Menschenrechtsbeobachter, die seit dem 1. April in Burundi tätig sind, aus Cerf-Mitteln finanziert. Der Fonds gewährte dafür 499.960 US-Dollar, einen Tag nachdem der UN-Sonderberichterstatter zu extralegalen Hinrichtungen von 500 Tötungen, 1.700 „wahllosen“ Verhaftungen und 20 Fällen von Verschwindenlassen in Burundi gesprochen hatte. Das Beobachterteam hat seit seiner Entsendung dutzende neue Fälle von Folter aufgedeckt.
Staatliche Verfolgung hat Hunderttausende aus Burundi in die Flucht getrieben und damit eine humanitäre Krise hervorgerufen, die wiederum Hilfe in Millionenhöhe erzwingt. Dieses Übel an der Wurzel zu packen, indem der zentrale UN-Hilfsfonds sich mit Menschenrechten befasst, ist ein Beispiel eines integrierten Ansatzes humanitärer Hilfe. Das soll Schule machen – das ist die Botschaft von Istanbul. Dominic Johnson
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