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PorträtKraftpaket mit Mission

Es blieb bei der Kopie. Pflichtgemäß hatten die Funktionäre auch ein Exemplar der Meisterschale nach Flensburg geschickt. Doch die Rhein-Neckar Löwen siegten wie erwartet beim Schlusslicht TuS N-Lübbecke und konnten das Original in die Höhe stemmen – da nutzte der gleichzeitige 41:27-Sieg der Flensburger gegen den Bergischen HC auch nichts mehr. Obwohl die Flensburger damit als Vizemeister und Vize-Pokalsieger ohne Titel blieben, wurden sie in der Hölle Nord für eine erfolgreiche Saison gefeiert, in der sie das Final Four-Turnier der Champions League nur hauchdünn gegen den späteren Sieger aus dem polnischen Kielce verpassten.

Zusammengehalten wurde das Team wieder von einem, der meist im Hintergrund wirkt und am Samstag seinen 35. Geburtstag feierte: Tobias Karlsson, Mannschaftskapitän der Flensburger und der schwedischen Nationalspielmannschaft. Karlsson steht nicht nur im Zentrum des viel gerühmten Flensburger Teamgeistes, sondern auch der mindestens so wichtigen Abwehrreihe. In beiden Funktionen sind ganz unterschiedliche Charaktereigenschaften gefordert, die das 1,96 Meter große Kraftpaket anscheinend mühelos unter einen Hut bringt.

Im Dorf Handewitt am Flensburger Stadtrand, wo über die Hälfte des skandinavisch geprägten Teams ansässig ist, ist er als besonnener Ratgeber und geselliger Grill-Meister gefragt. Das Geheimrezept dieser weltberühmten Handball-Enklave hat niemand so trocken auf den Punkt gebracht wie der Kapitän selbst: „Wir alle sind ähnliche Typen und haben zur gleichen Zeit Freizeit.“

Im Spiel selbst muss der Abwehrchef zupacken, einstecken und darf in der Wahl der Mittel nicht zimperlich sein. Und muss damit leben, dass er als Abwehrspezialist so gut wie keinen Ball in die Hand bekommt, da er fast nur in der Deckung eingesetzt wird und die Angriffe meist von der Bank verfolgt.

Seine Rolle als Kapitän der schwedischen Nationalmannschaft nutzte er Anfang des Jahres noch für eine ganz andere Mission. In den letzten fünf Testspielen vor der Europameisterschaft in Polen trug er eine Kapitänsbinde in Regenbogenfarben, um für Toleranz und Offenheit gegenüber Homosexualität zu werben. Sein Ziel war es, diese Binde auch während des Turniers in Polen zu tragen. Doch einen Tag vor Turnierbeginn erließ der Europäischen Handballverband (EHF) ein neues Reglement, wonach die Kapitäne nur noch einfarbige Armbinden oder welche in Nationalfarben tragen dürfen.

Von einer „Lex Karlsson“ wurde danach gesprochen. „Es ist schwierig, das anders zu interpretieren“, sagte Karlsson selbst. „Vorher gab es nämlich keinerlei Regeln für die Kapitänsbinde. RLO

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