: Dann kann sie das auch
French Open Die Spanierin Garbiñe Muguruza gewinnt mit mutigem Angriffstennis das Sandplatzturnier von Paris. Für die unterlegene Serena Williams ist es bereits die zweite Finalniederlage bei einem Grand Slam in Folge
Aus Paris Doris Henkel
Lächelnd und mit ausgestreckten Armen ging Garbiñe Muguruza auf die Amerikanerin Billie Jean King zu, die ihr den Siegerpokal auf dem Podium überreichen sollte. So als wollte sie sagen: Da ist ja das gute Stück, und genau so, wie sie zuvor gegen Serena Williams gespielt und gewonnen hatte – selbstbewusst und mit großer Selbstverständlichkeit.
Vor dem Spiel hatte Williams’ französischer Coach Patrick Mouratoglou gesagt, der Ausgang dieses Finales läge in den Händen seiner Spielerin. Spielt sie gut, dann wird sie gewinnen, spielt sie nicht gut, dann hat die andere eine Chance. Aber so war es nicht. Wie schon in Melbourne verlor Williams gegen eine Bessere, und offenbar gibt es eine Verbindung zwischen diesen Ereignissen. Der Sieg von Angelique Kerber in Melbourne hatte Muguruza Mut gemacht. Wenn Kerber das geschafft hat, dachte sie, dann kann ich das auch.
Zugegeben, Serena Williams ist schon eindrucksvoller in Form gewesen als an diesem Tag unter grauem Himmel. Sie bewegte sich zwar besser als in den Runden zuvor, sie drosch wie immer mit großer Wucht auf die gelbe Kugel, und wie immer schickte sie den Bällen manchmal einen markerschütternden Schrei hinterher. Aber irgendwas fehlte. Billie Jean King meinte hinterher, sie habe den Eindruck, Williams sei irgendwie nicht glücklich im Moment, und bevor sich das nicht ändere, werde es schwer werden mit dem nächsten großen Sieg.
Was Kerber in Melbourne mit Konterspiel geschafft hatte, schaffte Muguruza in Paris mit konsequenter Attacke. Die in Venezuela geborene Spanierin schlug mindestens so hart wie Williams, sie war schneller auf den Beinen und zitterte nicht. Vor allem dann nicht, als es um alles ging. Vier Matchbälle vergab sie beim Stand von 5:3 im zweiten Satz, und so was rächt sich normalerweise.
Aber sie machte weiter. Bei der nächsten Gelegenheit griff sie zu. Und dieser fünfte Matchball war an Kuriosität kaum zu überbieten. Aus der Defensive schlug Muguruza einen Rückhand-Lob, der direkt neben Serena Williams auf die Grundlinie fiel. Die gab später zu, sie habe gedacht, der Ball gehe ins Aus – sie hätte ihn leicht schlagen können. Einen Moment lang wusste keiner Bescheid. Garbiñe Muguruza dachte: Hab ich jetzt gewonnen oder nicht? Sie sah Schiedsrichter Pascal Maria an, der sah den zuständigen Linienrichter an, und die Erste, die sich aus diesem Moment der Stille und Ratlosigkeit löste, war Williams. Eine Sekunde später hatten es alle begriffen, auch die neue Siegerin (Endstand 7:5, 6:4).
Wie schon in Melbourne gratulierte Williams mit einer knappen Umarmung, die nicht weniger herzlich wirkte. Muguruzas Coach Sam Sumyk war glücklich: Er hatte erst Victoria Asarenka zur Nummer eins und zu zwei Grand-Slam-Titeln geführt und war nach einem kurzen Zwischenspiel mit Eugenie Bouchard im Herbst 2015 bei der Spanierin gelandet.
Garbiñe Muguruza ist nach dem ersten Grand-Slam-Titel ihrer Karriere die neue Nummer zwei im Frauentennis, und wenn nicht alles täuscht, wird sie irgendwann auch die Nummer eins sein. Einer der ersten Gratulanten war Rafael Nadal, dem sie Jahr für Jahr beim Siegen im Stade Roland Garros zugesehen hatte. Gleich nach dem Matchball hatte sie an ihn gedacht: Wie, um alles in der Welt, konnte Rafa hier neunmal gewinnen? Ich schaff das bestimmt nicht noch einmal. Es gibt eine Menge Leute, die das inzwischen anders sehen.
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