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Die Welt der schmutzigen Spiele

Dokumentarfilm Kurz vor EM-Beginn verspricht „Dirty Games“ von Benjamin Best Aufklärung über die Korruption im Sport, betreibt aber Häppchenjournalismus

Der ehemalige NBA-Schiedsrichter Tim Donaghy gibt in „Dirty Games“ Einblicke in die schmutzige Seite des Profibasketballs Foto: W-film

von Barbara Schweizerhof

Es ist natürlich kein Zufall, dass ein Dokumentarfilm wie „Dirty Games“ jetzt in die Kinos kommt. Startet doch nächste Woche ein Prototyp jener Sportereignisse, die gemeint sind, wenn von „schmutzigen Spielen“ die Rede ist: die Fußballeuropameisterschaft. Wer den Medienzirkus kennt, weiß deshalb, was in den Redaktionen in diesen Tagen gewünscht wird: kritische Artikel zum Thema Sport auch auf den Kulturseiten!

Für eine Doku wie die von Benjamin Best ergibt sich hier quasi eine Win-win-Situation: Er liefert mit seinem Dokumentarfilm eine Steilvorlage ans Feuilleton und dort ist man froh, das Thema als Filmbesprechung abgedeckt zu haben. Nicht, dass dagegen was zu sagen wäre. Oder doch?

Benjamin Best, der sich mit mehreren Beiträgen für die ARD und einem Buch („Der gekaufte Fußball. Manipulierte Spiele und betrogene Fans“) den Spezialistenstatus für das Thema erarbeitet hat, beginnt seinen Film mit Aufnahmen von sich selbst am Computer – und der Ankunft eines Sargs an einem verregneten Flughafen. Es ist ein Einstieg, wie man ihn aus Reportagen kennt: ein ungewöhnlicher und etwas überraschender Sprung mitten ins Thema, der emotionalisiert und zugleich das „Vor-Ort-Sein“ des Autors zu verbürgen scheint.

Bei dem Toten, so erfährt man nach und nach, handelt es sich um den Nepalesen Bahadur, einen jungen Familienvater, der als Leiharbeiter nach Qatar aufgebrochen war, um dort für 230 Euro im Monat im Umfeld der Vorbereitungen des Ölstaats auf die Fußballweltmeisterschaft 2022 zu schuften und dort eines überraschenden, aber angeblich natürlichen Todes starb.

Über Aufnahmen aus Katmandu erklärt eine Sprecherstimme das bekannte Janusgesicht des modernen Sports heute: Auf der einen Seite die Macht, die soziale, kulturelle und politische Grenzen überwinden hilft, auf der anderen Seite die Gier und der Machtmissbrauch, die zu Betrug und Korruption führen. So unironisch, wie man das nach Michael Moores „Roger and I“ von 1989 nicht mehr für möglich gehalten hat, kündigt Best an: „Mich interessiert die andere Seite.“

Hinter die Kulissen blicken – für den Printjournalisten ist das ja nur eine Metapher, der TV-Journalist und erst recht der Dokumentarfilmer aber kann das wörtlich umsetzen, nämlich Aufnahmen an Originalschauplätzen machen. Aber auch wenn man sich dabei wie Best gerne mal selbst ins Bild setzt, heißt das nicht automatisch, dass man sich tatsächlich hinter den Kulissen befindet.

Was Best in seinem Film nämlich in „Weltspiegel“-Reportagen-Manier zusammenträgt, sind allesamt bekannte und bereits „ans Tageslicht“ gebrachte Geschichten: die toten Arbeiter von Qatar und ihre schrecklichen Arbeitsbedingungen, der Gefälligkeitshandel unter den Fifa-Vertretern, der zur umstrittenen Vergabe an Qatar geführt hat, die Schiedsrichterbestechungen und Wettskandale im amerikanischen Box- und Basketballsport, die Vertreibung der Armen aus den Vierteln um brasilianische Fußballstadien, die Manipulationsskandale zugunsten von Fenerbahce Istanbul in der türkischen Süper Lig.

Mehr verstellen als erhellen

In der Vielfältigkeit der Themen, die „Dirty Games“ anschneidet, erkennt man den Ehrgeiz, das Phänomen der „schmutzigen Spiele“ in seiner Weltumspannung und seiner sozialen und kulturellen Vielgestalt zu erfassen. Je länger der Film dauert, desto mehr wird man aber an die Grundregeln der Collagetechnik erinnert: Nicht jedes wahllose Zusammentragen verschiedener Elemente führt zu einem überzeugenden Bild.

Dass Best hier klassischen Häppchenjournalismus betreibt, ist das eine. Man könnte die Interviews mit den trauernden Angehörigen in Nepal, das Gespräch mit der schillernden Gestalt des ehemaligen Boxmanagers, der heute als Pianist sein Geld verdient, oder die Statements des Stadtentwicklungskritikers zu Rio de Janeiro auch als inspirierende Anregung verstehen, auf eigene Faust weiterzurecherchieren.

Aber genau dabei bemerkt man den strukturellen Fehler von Bests Unternehmen: Die Geschichten und Anekdoten über Schiedsrichterbestechung und Wettbetrug verstellen den Blick auf das Phänomen der „Großsportveranstaltung“ mehr, als dass sie etwas erhellen. Dabei hätte sich die ausführlichere Beschäftigung mit den Beispielen Qatar und Brasilien, wo die Vorbereitungen jeweils tief, aber ganz anders ins soziale Gefüge schneiden, sehr gelohnt.

So macht Best etwa den Arbeitsvertrag seines nepalesischen Protagonisten Bahadur mit einer in Deutschland ansässigen Firma ausfindig, hakt aber kaum weiter nach. Die Thesen Christopher Gaffneys, der sich seit Jahren mit der Stadtentwicklung in Rio de Janeiro beschäftigt, hätten sowieso einen eigenen Film – und ein kompetentes Gegenüber mit Lust zum Widerspruch – verdient.

„Dirty Games“. Regie: Benjamin Best. Deutschland 2015, 90 Min.

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