AfD im Wendland: Präsent für Bürgermeister-Sohn

Der Gemeinderat von Schnega im Wendland, wo AfD-Bürgermeister Wilhelm von Gottberg amtiert, richtet dessen Sohn mit Steuermitteln eine Arztpraxis her

Immer auf dem rechten Weg: Bürgermeister Wilhelm von Gottberg im Jahr 2000 Foto: dpa

HAMBURG taz | Wilhelm von Gottberg hat so einiges zu bieten. Er hat Vergangenheit, etwa als Bundesvorsitzender der „Landsmannschaft Ostpreußen“, von wo seine Familie vertrieben wurde. Seine Gegenwart liegt hingegen in der AfD, der er seit 2013 angehört.

Der Bürgermeister der 1.300-Seelen-Gemeinde Schnega im Wendland, ehemals CDU-Mitglied, war bundesweit der erste AfDler, der dieses Amt bekleidete. Der Vater von sechs Kindern hat zudem stramm rechte Positionen und einen Sohn, der Medizin studiert hat und den er gerne in seiner Nähe hätte. Was nun, dank der Hilfe des Gemeinderates, klappen dürfte.

Für rund 100.000 Euro lässt die Gemeinde Schnega derzeit anderthalb Wohnungen als Praxisräume herrichten – für Gottberg Junior, der auf das kaiserliche Vornamens-Doppel „Friedrich-Wilhelm“ hört. Weil der derzeitige Arzt in den Ruhestand geht und Landärzte nun mal knapp sind, ist für den Bürgermeister das Engagement seines Sohnes eine „Ideallösung“. So etwas darf schon mal was kosten.

Ohne dass Gottberg Senior direkt eingriff, beschloss der schwarz-grün dominierte Gemeinderat bislang 60.000 Euro für die Praxisherrichtung – über einen Nachtragshaushalt sollen die restlichen Mittel beschafft werden.

Geboren wurde Wilhelm von Gottberg 1940 im Ostpreußischen Regierungsbezirk Königsberg als Sohn des Gutsbesitzers Heinrich von Gottberg und seiner Frau Gertrud.

Vertrieben aus Ostpreußen wurde die Familie nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges.

Als Polizeibeamter, leitender Mitarbeiter des Sicherheitsbereichs eines Industrieunternehmens und Dozent an einer Polizeifachschule machte von Gottberg Karriere.

In der Landsmannschaft Ostpreußen, der er seit 1983 angehört, brachte es von Gottberg 1994 zum Bundesvorsitzenden. Die „Rückkehr in unsere Heimat Ostpreußen“ bedeutet für ihn die Realisierung des Menschenrechts der Deutschen auf die Heimat.

Bürgermeister der Gemeinde Schnega wurde von Gottberg im November 1991, damals noch als Mitglied der CDU.

Einen Rechtsstreit gegen das Neue Deutschland verlor von Gottberg 2005. Die Zeitung darf weiterhin behaupten, er habe Rede des Bundestagsabgeordneten Martin Hohmann öffentlich verteidigt, die von vielen Seiten als antisemitisch kritisiert wurde.

Dumm nur, dass es sich dabei um eine sachfremde Verwendung von Steuermitteln handelt – findet zumindest der Bund der Steuerzahler und kritisiert den Zuschuss vehement. „Eine Praxis herzurichten ist Aufgabe des Arztes und nicht des Staates“, findet der Landesvorsitzende Bernhard Zentgraf. Dass es sich bei dem profitierenden Arzt zudem um den Sohn des Bürgermeisters handele habe schon „ein Geschmäckle“.

In einem Schreiben an die Samtgemeinde Lüchow kritisiert Zentgraf die Maßnahme als nicht nachvollziehbar, da es in Schnega nicht an Praxisräumen mangele. Denn Raphael Enkirch, Vermieter der Praxis eines jetzt in den Ruhestand wechselnden Allgemeinmediziners, hatte laut Elbe-Jeetzel-Zeitung Friedrich-Wilhelm von Gottberg die Praxisräume zur Weiternutzung angeboten. Doch der ließ die Erklärungsfrist verstreichen wie er selbst einräumt.

Als Antwort auf sein Schreiben erhielt Zentgraf vom AfD-Bürgermeister nur „wüste Beschimpfungen“. Wilhelm von Gottberg warf dem Steuerzahler-Chef vor, seine Aktivitäten seien „niederträchtig“ und wären praktisch „Beihilfe zum Rufmord und zur üblen Nachrede“. Die Antwort auf die Fragen des Steuerzahlerbunds verweigerte von Gottberg konsequent: „Wir werden keine Fragen einer Organisation beantworten, die vorab die zivilisierten Umgangsformen in Deutschland nachhaltig verletzt hat“, warb der heute 76-Jährige um Etikette. „Die Antwort hat mich nicht gerade überzeugt“, kontert Zentgraf.

Der schwarz-grün dominierte Gemeinderat steht eindeutig hinter dem Bürgermeister und seinem Sohn. Um die gemeindeeigene Wohnung „langfristig gut vermieten zu können“, sei ein „erheblicher Modernisierungsbedarf“ abzuarbeiten gewesen. Das habe rund 100.000 Euro gekostet, und komme „der politischen Gemeinde Schnega zugute“.

Doch nicht alle Einwohner der Gemeinde sind dieser Meinung. Derzeit bildet sich im Dorf Molden eine Initiative, die neue Ortsschilder an der Kreisstraße fordert, weil die alten unlesbar und fast nicht zu erkennen seien. Die Folge: Autofahrer würden den Fuß nicht vom Gas nehmen, die Unfallgefahr sei deshalb groß. Doch deine Erneuerung der Schilder, die kaum mehr als ein paar hundert Euro kosten würde, geht für Wilhelm von Gottberg eindeutig zu weit. „Es ist für eine finanzschwache Gemeinde unvertretbar, diese Schilder auszuwechseln“, kanzelt der Bürgermeister sein Wahlvolk ab. Das dafür nötige Geld könne nur „durch eine Erhöhung der Grundsteuer hereingeholt werden“.

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