Portrait: Der Kompromissbereite
Christian Kuhnt ist ein Munterer. Plaudert gern, scherzt und hat nichts dagegen, auch mal die Seiten zu wechseln: vom staatlich subventionierten Schleswig-Holstein Musik Festival (SHMF) zur privaten Hamburger Konzertdirektion Dr. Rudolf Goette zum Beispiel – von wo aus er vor Jahren noch gegen eine Subventionierung der Konzerte in der Elbphilharmonie klagte.
Inzwischen ist der 49-Jährige SHMF-Intendant, hat seinen Vertrag just bis 2022 verlängert bekommen und findet Subventionen gut. Dass man seine Haltung ändere, gehöre zum Geschäft, findet er. Einmal ist das Anpassen allerdings schwierig gewesen: Das war, als der Musikwissenschaftler im Jahr 2013 Nachfolger von Rolf Beck wurde, der dem SHMF eine traumhafte Auslastung und spannende Länderschwerpunkte verschafft hatte.
Kuhnt, von 1999 bis 2007 Becks Untergebener, hatte damals für Länderschwerpunkte plädiert – nicht ahnend, dass ihm ausgerechnet das mal Profilierungsprobleme bereiten würde: Rezepte vom Vorgänger zu übernehmen und unauffällig weiterzumachen, das ist unter der Würde der meisten Chefs.
Kuhnt erkannte das und wählte einen Kompromiss: Keine Länder-, sondern Komponistenschwerpunkte prägen seit 2013 das Festival; Tschaikowsky und Mendelssohn-Bartholdy haben den Anfang gemacht, beim diesjährigen, dem 30. SHMF ist es ab 2. Juli Joseph Haydn: Stolze 100 von 178 Konzerten werden dem Wiener Klassiker gelten, der vielen Fachleuten keineswegs als Zuckerguss-Komponist gilt, sondern als fortschrittlich und verkannt. Auf bekannte Komponisten zu setzen, hat im Übrigen mindestens zwei Vorteile: Erstens mundet ihre Musik einem breiten Publikum, zweitens haben auch die Musiker, die das SHMF gern bucht, gerne ihre Werke im Repertoire.
Zu schaffen macht Kuhnt, dem Munteren, aber doch etwas: Das Publikum kann heutzutage so schlecht stillsitzen. Deshalb hat er zwar keine Dinner-Konzerte eingeführt, wo die Musiker gegen das Schmatzen der Gäste anfiedeln. Wohl aber hat er das von Beck eingedampfte „Musikfest auf dem Lande“ wiederbelebt. Da kann das Publikum wenigstens in der Pause im Park flanieren. PS
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