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Rückkehrer unter dem Korb

Basketball Am Wochenende findet das Euroleague Final Four statt. Einer der Stars ist Nando de Colo, französischer Offensivspieler bei ZSKA Moskau

aus berlin David Digili

Die aufwändig produzierten Highlight-Videos verschwinden ein wenig auf der überdimen­sionalen Leinwand, die über der Bühne am Berliner Alexanderplatz thront. Auf dem Plateau mitten zwischen Kaufhäusern und Schnellrestaurants glänzt ein Pokal von stattlicher Größe vor den Sitzreihen. Es ist die groß inszenierte Eröffnungspressekonferenz zum Euroleague Final Four, dem Endturnier der Basketball-Champions-League, das Freitag und Sonntag in der Arena am Ostbahnhof stattfindet. Hinter der Absperrung hat sich eine Handvoll Fans versammelt, die besonders Fenerbahçe -Trainer Željko Obra­dović bejubelt, der den türkischen Teilnehmer vertritt.

Der ganz große Moment aber ist Nando de Colo vorbehalten. Der französische Aufbauspieler von ZSKA Moskau wird nicht nur als bester Offensivspieler ausgezeichnet und Teil der Top-Fünf der Saison, auch die Trophäe des MVP, also des wertvollsten Akteurs, geht an den Franzosen. „Ich kann es noch gar nicht richtig glauben. Dies ist ein ganz großer persönlicher Moment für mich. Viel wichtiger ist für mich aber, dass wir als Mannschaft Erfolg haben“, erklärte ein etwas verlegener de Colo, der mit 18,9 Punkten im Schnitt wichtigster Korbjäger der Russen ist.

Es ist der große Triumph des 28-Jährigen – für den er erst einmal scheitern musste. Dabei hätten die Voraussetzungen besser nicht sein können: De Colo stammt aus einer Basketballfamilie. Vater Bruno und Mutter Nicole waren beide im Profisport aktiv und sind heute Trainer, auch die Schwestern Sandy, Leila und Jessie spielten oder spielen in der höchsten französischen Liga. „Wann immer wir zusammen sind, geht es fast nur um Basketball“, bestätigt de Colo. „Ich hatte sehr viel Glück. Auch heute noch geben alle mir ständig Tipps, obwohl ich schon 28 bin.“

Der Aufstieg verlief steil: 2006 debütierte de Colo für das als Talentschmiede bekannte Cholet Basket in der französischen Liga, 2008 gab es schon die Auszeichnung zum besten französischen Akteur der Liga – mit nur 20 Jahren. Bereits 2009 sicherten sich die San Antonio Spurs aus der NBA die Rechte am Talent, drei Jahre später wechselte de Colo letztendlich zu den Spurs. Doch mehr als Verlegenheitseinsatzzeiten sprangen in zwei Spielzeiten nicht heraus, nur knapp 13 Minuten pro Partie, Akzente setzen unmöglich. Mehrere Male „parkten“ die Spurs den Ersatzmann bei den Austin Toros, einer Mannschaft der NBA-Entwicklungsliga. 2014 verfrachtete ein Tauschgeschäft der Spurs mit den Toronto Raptors den Problemfall nach Kanada. „Ich habe dazugelernt. Ich würde mich heute nicht mehr so leicht frustieren lassen wie damals“, blickt de Colo heute zurück.

„Ich will nicht nur als NBA-Spieler gelten“

Nando de Colo

Nach insgesamt nur 119 Partien entschied sich de Colo für den Schritt zurück nach Europa. „Ich will nicht nur ein NBA-Spieler sein, um mich als NBA-Spieler bezeichnen zu können“, erinnerte sich de Colo vergangenen Herbst in einem Interview. Moskau griff zu. Es wurde ein Glücksfall für beide Seiten.

In Berlin stehen auch die Chancen auf den Euro-League-Titel gut: Die Mannschaft ist hervorragend besetzt, neben de Colo sind der serbische Aufbauspieler Miloš Teodosić und Forward Kyle ­Hines die großen Stars, gehören zum Besten, was im europäischen Basketball aktuell auf dem Parkett steht. Hines nahm am Donnerstag zusätzlich die Auszeichnung zum besten Verteidiger der Saison entgegen, Teodosić wurde neben de Colo in die Mannschaft des Turniers gewählt.

Das Team von Trainer Dimitris Itoudis geht also nicht ohne Grund favorisiert ins Championat in der Arena am Ostbahnhof. „Wir haben nicht nur die Ausscheidungsrunde gewonnen, sondern auch die Saison“, sagt der Grieche, der seit 2014 die Moskauer trainiert. „Das ist unser Jahr“, twitterte de Colo kurz vor Beginn des Final Four in Berlin. Im Halbfinale heute trifft Moskau auf den russischen Rivalen Lokomotive Kuban Krasnodar. Ein Einzug ins Finale am Sonntag wäre der nächste Schritt zur endgültigen Krönung des Nando de Colo.

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