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Keine Punkte für Cannes

SEICHT „Die Kinder meines Bruders“ (20.15 Uhr, ARD) ist ein weiteres Beispiel dafür, dass das Fernsehpublikum hierzulande bloß nicht überfordert werden soll

Nico (David Rott, re.), eigentlich Stadtmensch, muss zurück aufs Land Foto: ARD Degeto

von Jens Mayer

Es ist noch nicht lange her, da stand der Freitagabend in der ARD für Schmonzetten: seichte Stoffe, ein bisschen Liebe, ein bisschen Glamour, Sonnenschein am Bodensee oder in einer mittleren Großstadt. Die Degeto, die größte Filmeinkaufsorganisation und TV-Produktionsfirma der ARD, war maßgeblich für diese Filme und dieses Image verantwortlich. Seit 2013 bastelt sie nun daran, ernster genommen zu werden; zum einen als wichtigster Geldgeber der Branche – nach jahrelanger Misswirtschaft setzt man nun auf Transparenz.

Zum anderen arbeitet das Unternehmen auch an einer inhaltlichen Neuorientierung; zeitgemäßer und relevanter sollten die Stoffe werden. Im taz-Interview sprach Degeto-Redaktionsleiter Sascha Schwingel 2014 vom „massiven Umbruch“, in dem man sich befinde, und kündigte ambitionierte und ungewöhnliche Produktionen für die Zukunft an.

Dass „Die Kinder meines Bruders“ nicht unbedingt als Paradebeispiel für seine Zukunftsvision dienen würde, gab Schwingel schon damals zu. Der zu diesem Zeitpunkt gerade im Umland von Berlin gedrehte Fernsehfilm (Arbeitstitel „Blutmilch“) war noch von den alten Verantwortlichen in Auftrag gegeben worden. Er erzählt die in Degeto-Produktionen bereits zigfach variierte Geschichte vom verlorenen Sohn, der hochnäsig aus der Stadt in seinen verachteten Heimatort auf dem Land zurückkehren muss und sich dann doch geläutert mit seiner Vergangenheit versöhnt. Mit dem jungen Regisseur Ingo Rasper habe man trotzdem versucht, diese Geschichte, die immerhin auch kritische Untertöne beinhaltet, frischer zu erzählen, so Schwingel. Nebenbei geht es nun auch ein bisschen um die prekäre Situation der Milchbauern und den Subventionierungs-Irrsinn.

Nach den gewohnten Maßstäben der deutschen TV-Produktionen haben Rasper und sein Team das Bestmögliche aus dem Stoff gemacht. Ein gänzlich misslungenes Beispiel für die Neuausrichtung der Degeto ist der Film also nicht. Trotzdem bleiben die Figuren holzschnittartig, die Dialoge statisch, die Handlungsorte kulissenhaft und die Abhandlung essenzieller Themen oberflächtlig. Man will es eben nicht überfordern, dass Freitagabend-Zielpublikum. Es sind die typischem Merkmale der meisten deutschen Fernsehfilme.

Und das, obwohl den hiesigen Fernsehmachern durchaus bewusst ist, dass ihre Produktio­nen nicht immer glänzen. Als die Produzentenallianz und die ARD vor gut drei Monaten ihre Eckpunkte für mehr „Innovation und Vielfalt“ vorgestellt haben, war eines ganz wichtig: „besondere qualitative Leistungen im Auftrag des öffentlich-rechtlichen Fernsehens“ zu belohnen. Produzenten sollen Bonuspunkte sammeln, wenn ihre Filme für Preise nominiert oder auf Filmfestivals gezeigt werden. Dies gilt allerdings nicht für drei der künstlerisch wichtigsten Festivals der Welt: Cannes, Venedig und Locarno. Dort sind deutsche Beiträge zwar tatsächlich selten, doch dass die Festivals in der Qualitätsliste noch nicht einmal vorkommen, sagt etwas über das Selbstverständnis der Verantwortlichen aus. Zu viel Anspruch ist eben nicht erwünscht.

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