„Kreditrisiken?“ – „Die verkaufen wir!“

FAD Ein ZDF-Themenfilm kann der Bankenkrise nichts Komisches abgewinnen (20.15 Uhr, „Der Bankraub“). Und bleibt so überpädagogisches Schulfernsehen

Am Boden: Betriebsrat Kreye (Król) und seine Frau (Kriener) Foto: Bavaria/ZDF

von Jens Müller

Ein so simpler wie vielversprechender Titel: „Der Bankraub“ lässt an herrliches Genrekino denken, wie es gelegentlich auch aus Deutschland kommen konnte. Doch die US-Immobilienkrise, die Banken- und Finanzkrise, sie waren, wie man heute Abend sieht, nicht nur für die Weltwirtschaft eine Katastrophe, sondern auch für die Filmkunst. Denn offenbar muss der Bankraub jetzt partout in Anlehnung an Brecht verstanden werden: „Was ist ein Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank?“

Schlimmer noch: Bankvorstand Helmut Draeger (Justus von Dohnányi) plant „eine Filiale in den USA. Wir sammeln hier deutsche Anlagegelder und gehen damit auf den US-Immobilienmarkt!“ Dass Draeger phänotypisch mehr nach dem ehemaligen deutschen Spitzenmanager Gerhard Cromme kommt als nach dem „Wall Street“-Finanzhai Gordon Gekko, erscheint symptomatisch für die spezifisch deutsche Fernsehspielhaftigkeit dieses Themenfilms. Das öffentlich-rechtliche Fernsehen nimmt seinen Programmauftrag wahr: Telekolleg und Schulfernsehen. Der gute Brecht war ja auch recht pädagogisch motiviert, aber immerhin hat er sich noch der Parabel bedient. „Der Bankraub“ aber kennt keine übertragenen Bedeutungen, hier ist alles eins zu eins.

Und eins und eins, das ergibt zwei: Auf den Spielfilm folgt die dessen Authentizität beglaubigende Dokumentation („Der Bankraub – Die Dokumentation“). Oder: Vor der Dokumentation veranschaulichen 90 Minuten Spielszenen die Chronologie der Bankenkrise aus Sicht derer da oben – und da unten.

Da oben ist (der Böse) Draeger, da unten (der Gute) Werner Kreye (Joachim Król). Letzterer ist ein possierliches Geschöpf der alten Bundesrepublik: Malocher, Betriebsrat, der von den nur noch gierigen Bankern neuen Typs nicht etwa nur um seine Altersversorgung, nein, auch noch um seine herzkranke Frau (Ulrike Kriener) gebracht wird. Herzzerreißend soll das sein – herzzerreißend langweilig ist es, weil vollkommen humorlos und unterkomplex. Hätten sich Urs Egger und Autor Martin Rauhaus doch nur „The Wolf of Wall Street“ angesehen, es wäre ihnen wie Schuppen von den Augen gefallen: dass man so einem Thema mit den Mitteln der Satire viel angemessener und unterhaltsamer beikommt.

Justus von Dohnányi, der selbst zwei herrlich schräge „Tatort“-Episoden mit Ulrich Tukur inszeniert hat, meint man ansehen zu können, wie gerne er schauspielerisch noch eins draufgesetzt hätte. Um seinen Banker nicht als unfreiwillige, sondern als echte Karikatur zu zeichnen.

Das komische Potenzial der Geschichte ist nämlich enorm. All das Gewäsch von der „Expansion in die Zukunftsmärkte“ und dem Geld, das „arbeiten“ muss. Oder dieser Dialog:

„Das nächste große Ding sind die Ninja-Kredite: no income, no job, no assets.“

„Aber das heißt: Sie haben nichts. Gar nichts?“

„Except for: The American Dream.“

„Aber was ist denn mit den Kreditrisiken?“

„Die verkaufen wir!“

Vor dem letzten Satz die Regieanweisung: extra gieriger Blick. Die so miteinander sprechen, sind Martin (Franz Dinda) und Hillary (Anna Drijver) – über die Draeger sagt: „Die härteste Tante, die du je treffen wirst! Während die Leute noch aus’m World Trade Center gesprungen sind, hat Hillary schon ihre Immobilienbestände reduziert.“

Martin ist das dramaturgische Bindeglied zwischen Kreye und Draeger: des einen Sohn, des anderen Protegé – oder „Kapitalistenknecht“, wie Kreye es nennt. Anhand seines Aufstiegs in der Bank wird vorgeführt, wie Geld den Charakter verdirbt: Kaum hat Martin an der Wall Street die Finanzschlampe Hillary erblickt, schon serviert er daheim seine boden- und grundanständige deutsche Freundin (Bernadette Heerwagen) ab. So ist das. In der modernen, aus den Fugen geratenen Welt, wie der „Der Bankraub“ sie sieht.

Empört euch (gefälligst)! – Oder guckt euch später im ZDF den Film „Bank Job“ an. Der spielt 1971 und zeigt, was man damals, als die Welt noch in Ordnung war, ganz selbstverständlich unter einem Bankraub verstehen durfte.