Kommentar Haftbedingungen für Breivik: Rechtsstaat ist Rechtsstaat
Der Rechtsterrorist Anders Breivik hat sich mit seiner Klage durchgesetzt. Auch für ihn darf es keine doppelte Strafe geben.
Der Massenmörder beim Betreten eines Gerichtssaals im norwegischen Skien, März 2016. Foto: ap
Anders Behring Breivik hat die norwegische Justiz auf die Probe gestellt. Zum zweiten Mal. Die erste Prüfung hatte diese recht passabel absolviert. Gegen den rechtsradikalen Terroristen war ein faires Gerichtsverfahren geführt worden, bei dem man auch der Versuchung widerstanden hatte, den 77-fachen Mörder einfach für unzurechnungsfähig zu erklären und in einer geschlossenen Anstalt verschwinden zu lassen.
Nun ging es also um die Frage, ob man bei den Haftbedingungen zu weit gegangen ist. Eine Art Doppelbestrafung durch unbegrenzte Isolationshaft kann in einem Rechtsstaat nicht zulässig sein. Auch nicht bei einem Breivik. Dass der zu lebenslanger Haft Verurteilte seine Strafe unter extremen Bedingungen verbüßt, bestritten auch die Vertreter des von ihm verklagten norwegischen Staats nicht. Sie glaubten aber, das recht pauschal mit Sicherheitserfordernissen rechtfertigen zu können. Und damit, dass auch dieser Häftling dem „normalem“ Reglement für Strafgefangene der Kategorie „Hochsicherheitsstufe“ unterworfen sei.
Doch das war genau der Knackpunkt für das Gericht. Zu recht wundert es sich im Urteil beispielsweise über die angebliche Notwendigkeit teilweise mehrmals täglicher demütigender Nacktvisitationen, obwohl der Gefangene aufgrund seiner Isolationshaft keine Kontakte nach außen hat. Und es moniert die Tatsache, dass das norwegische Recht keine Begründung für spezielle Kontroll- und Sicherheitsroutinen fordert, keine Zeitgrenze zur Dauer von Isolationshaft kennt und nur als unzureichend eingestufte Rechtsmittel bietet, diese gerichtlich überprüfen zu lassen.
Für den norwegischen Staat ist die Bekräftigung des Vorwurfs „unmenschlicher Behandlung“ in diesem Verfahren natürlich eine Niederlage. Das Urteil beweist aber auch, dass sein Rechtssystem funktioniert. Und unabhängig vom Ausgang des konkreten Falls – der sicher durch die Instanzen gehen wird –, wäre Oslo gut beraten, die von vielen Juristen schon lange beklagten Rechtssicherheitsmängel im Strafvollzug bald zu schließen.
Kommentar Haftbedingungen für Breivik: Rechtsstaat ist Rechtsstaat
Der Rechtsterrorist Anders Breivik hat sich mit seiner Klage durchgesetzt. Auch für ihn darf es keine doppelte Strafe geben.
Der Massenmörder beim Betreten eines Gerichtssaals im norwegischen Skien, März 2016. Foto: ap
Anders Behring Breivik hat die norwegische Justiz auf die Probe gestellt. Zum zweiten Mal. Die erste Prüfung hatte diese recht passabel absolviert. Gegen den rechtsradikalen Terroristen war ein faires Gerichtsverfahren geführt worden, bei dem man auch der Versuchung widerstanden hatte, den 77-fachen Mörder einfach für unzurechnungsfähig zu erklären und in einer geschlossenen Anstalt verschwinden zu lassen.
Nun ging es also um die Frage, ob man bei den Haftbedingungen zu weit gegangen ist. Eine Art Doppelbestrafung durch unbegrenzte Isolationshaft kann in einem Rechtsstaat nicht zulässig sein. Auch nicht bei einem Breivik. Dass der zu lebenslanger Haft Verurteilte seine Strafe unter extremen Bedingungen verbüßt, bestritten auch die Vertreter des von ihm verklagten norwegischen Staats nicht. Sie glaubten aber, das recht pauschal mit Sicherheitserfordernissen rechtfertigen zu können. Und damit, dass auch dieser Häftling dem „normalem“ Reglement für Strafgefangene der Kategorie „Hochsicherheitsstufe“ unterworfen sei.
Doch das war genau der Knackpunkt für das Gericht. Zu recht wundert es sich im Urteil beispielsweise über die angebliche Notwendigkeit teilweise mehrmals täglicher demütigender Nacktvisitationen, obwohl der Gefangene aufgrund seiner Isolationshaft keine Kontakte nach außen hat. Und es moniert die Tatsache, dass das norwegische Recht keine Begründung für spezielle Kontroll- und Sicherheitsroutinen fordert, keine Zeitgrenze zur Dauer von Isolationshaft kennt und nur als unzureichend eingestufte Rechtsmittel bietet, diese gerichtlich überprüfen zu lassen.
Für den norwegischen Staat ist die Bekräftigung des Vorwurfs „unmenschlicher Behandlung“ in diesem Verfahren natürlich eine Niederlage. Das Urteil beweist aber auch, dass sein Rechtssystem funktioniert. Und unabhängig vom Ausgang des konkreten Falls – der sicher durch die Instanzen gehen wird –, wäre Oslo gut beraten, die von vielen Juristen schon lange beklagten Rechtssicherheitsmängel im Strafvollzug bald zu schließen.
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Kommentar von
Reinhard Wolff
Auslandskorrespondent Skandinavien und das Baltikum
Lebt in Schweden, schreibt seit 1985 für die taz.
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