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Wie das Kino wieder neu anfing

AUF LOS Das Kino im Künstlerhaus Hannover zeigt in der Reihe „Trümmer – Tränen – Träume“ einige der ersten deutschen Nachkriegsfilme

Als einen Virtuosen in der „Notkunst“ sieht ein zeitgenössischer Filmkritiker Helmut Käunter bei dem 1947 von ihm gedrehten „In jenen Tagen“, denn damals war da nicht viel, womit man einen Film machen konnte. „Trümmerfilme“ wurden diese ersten Filme, die in Deutschland nach 1945 entstanden, genannt – und dies nicht nur, weil sie in einem zertrümmerten Land gedreht wurden, sondern auch, weil die deutsche Filmindustrie selbst in Trümmern lag und es kaum Künstler gab, die nicht im Exil und dennoch politisch unbelastet waren. Wer einen Film machen wollte, brauchte eine Lizenz von einer der Besatzungsmächte. Die Studios waren zerstört und wovon konnte man in solchen Zeiten im Kino überhaupt noch erzählen ?

Eskapismus war noch nicht gefragt: Die Heimatfilme und Romanzen wurden erst von den frühen 50er-Jahren an populär. Von den etwa 40 Filmen, die zwischen 1946 und 1948 in Deutschland produziert wurden, waren etwa drei Viertel „Zeitfilme“. Sie spielten in der Gegenwart und handelten von den Konflikten und Problemen der Menschen jener Zeit. Und weil die Studios weitestgehend zerstört waren, wurden sie an Originalschauplätzen gedreht, wodurch ihr dokumentarischer Wert heute beträchtlich ist. Bis Mitte Juni zeigt das kommunale Kino Hannover im Künstlerhaus an einem Termin pro Woche einige von diesen damals wirklich jungen deutschen Filmen.

Helmut Käutner hatte in den frühen 40er-Jahren Filme wie „Große Freiheit Nr. 7“ und „Unter den Brücken“ gedreht, für die er sich später nicht schämen musste, und so war er einer der Ersten, der in Deutschland wieder Filme machen durfte. 1947 inszenierte er „In jenen Tagen“ (Mittwoch, 18 Uhr) mit einer geliehenen Kamera und technischem Gerät, das weitgehend auf dem Schwarzmarkt beschafft wurde.

In Hamburg und Berlin gedreht, war dies einer der ersten sogenannten Omnibusfilme. In sieben Episoden wird von der Zeit von 1933 bis 1946 erzählt, und verbunden werden diese Geschichten durch ein Auto, das seine Besitzer von Geschichte zu Geschichte wechselt und mit Käutners Stimme spricht.

„Berliner Ballade“ (24. Mai) von Robert A. Stemmle ist die Adaption eines Kabarettprogramms von Günter Neumann, in dem von den absurden Abenteuern eines Kriegsheimkehrers erzählt wird. Dessen Name Otto Normalverbraucher ging in die Umgangssprache ein. Gespielt wurde er von dem damals noch schlanken Gerd Fröbe.

Wolfgang Staudtes „Die Mörder sind unter uns“ (31. Mai) von 1946 ist der düsterste von diesen Filmen. In ihm spielt Hildegard Knef eine befreite KZ-Gefangene und E.W. Borchert einen Kriegsheimkehrer, der seinen ehemaligen Hauptmann töten will, weil dieser für die Erschießung von Frauen und Kindern an der russischen Front verantwortlich war. Wilfried Hippen

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