Kolumne Die Couchreporter: Die Nostalgie der Folgenlosigkeit

Jeden Dienstag stellt Netflix eine Fortsetzung von „Better Call Saul“ online. Eine Woche lang auf neue Serienfolgen warten? Voll 2000er!

Ein Mann mit Sonnenbrille liegt auf einer Luftmatratze in einem Pool. Es ist Bob Odenkirk

Läuft. Bob Odenkirk in „Better Call Saul“ Foto: Ursula Coyote/Netflix

Das stärkste Argument der „Linearfernsehen wird so bald nicht untergehen“-Mahner ist: Gewohnheiten ändern sich nicht. Zumindest nicht allzu schnell. Noch würden schließlich Millionen Menschen in Deutschland jeden Tag Das Erste, ZDF und RTL einschalten. Und wie sehen die Nutzerzahlen von Netflix, Amazon Video und Co. aus? Na? Na?

Antwort: Ääh, keine Ahnung, sagen die ja nicht, aber sie sind bestimmt viel geringer.

Siehste! Viel geringer! Ein Triumph für die Programmzeitschriftenbesitzer.

Dabei ändern sich Gewohnheiten doch sehr schnell. Erschreckend schnell sogar. Ich bemerke das gerade bei mir selbst, wenn ich die zweite Staffel von „Better Call Saul“ schaue, die (Vor-)Geschichte des stets am Rande der Legalität wandelnden Anwalts Saul Goodman aus „Breaking Bad“. Jeden Dienstag schiebt Netflix eine neue Folge hinterher. Das kommt mir quälend langsam vor. Fernsehen wie damals. Also eigentlich gar nicht das, was Netflix sein will. Warum dürfen die eigentlich „A Netflix Original Series“ in jeden Vorspann schreiben, wenn die Serie doch – genau wie „Breaking Bad“ – von Sony für den US-amerikanischen Sender AMC produziert wird und Netflix Woche für Woche die eine Folge online stellen darf, die bei AMC längst zu sehen war? Warum ist das noch original Netflix? Weil der Video-on-Demand-Anbieter die Verwertungsrechte für die meisten Märkte außerhalb der USA besitzt?

Keine schlechte Zeit, aber auch keine gute

Wie auch immer. Ich fühle mich zurückversetzt in eine Zeit, als man sehnsüchtig auf die neuen „Akte X“- oder „Simpsons“-Folgen wartete. Als Filme und Serien noch ein knappes Gut waren. Als Premiere-Besitzer den VHS-Recorder heißlaufen ließen, um andere mit den wertvollen Kassetten (mit „Titanic“ oder „Independence Day“ drauf) gefügig zu machen. Und – um nicht allzu lange zurückgehen zu müssen – als 2013 Sky Atlantic HD startete und ich es auch noch hingenommen habe, dass nur eine Folge „House of Cards“ pro Woche zu sehen war (die übrigens tatsächlich ein Netflix-Original ist, für das die Amerikaner aber keine Erstausstrahlungsrechte in Deutschland besitzen und das auch aktuell in der vierten Staffel zuerst bei Sky läuft, einen Tag später bei Amazon Video zum Abruf bereitsteht und bei Netflix noch gar nicht läuft. Ja, es ist verwirrend).

Das war keine so schlechte Zeit. Aber es war auch keine so gute. Und überhaupt: Für so was habe ich keine Zeit mehr! Schon auf neue Staffeln zu warten ist schlimm genug. Ich werde alt. Und ihr, liebe Medienunternehmen, habt mich doch davon entwöhnt, auf neue Folgen warten zu können! Selbst die Öffentlich-Rechtlichen stellen ja mittlerweile ganze Serienstaffeln vorab online bereit, wie die großartige dänisch-schwedische Serie „Die Brücke“. Ich habe keine der fünf Zweistundenfolgen mehr im linearen ZDF gesehen. Warum quält ihr mich jetzt mit diesem Warten auf neue „Better Call Saul“-Folgen?

Der einzige Trost: Am Freitag startet die zweite Staffel von „Unbreakable Kimmy Schmidt“, die Serie mit dem besten Intro der Welt. „Unbreakable! They’re alive, dammit. It’s a miracle!“ Schon allein deswegen ist es beruhigend zu wissen, dass alle Folgen auf einmal bereitgestellt werden. Intro auf Intro auf Intro auf Intro.

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